Predigt vom 25. Dezember 2021

1. Weihnachtstag 25. Dezember 2021

Johanneskirche Alterlangen

 

Liebe Gemeinde,

I.

Schreiben und bekommen Sie noch Weihnachtsbriefe?

Es ist eine schöne Gewohnheit, die Menschen, die einem nahestehen

oder mit denen man ein Stück Weg gemeinsam zurückgelegt hat,

zu Weihnachten mit einem Lebenszeichen zu bedenken.

Und beglückend ist es, von diesen Menschen ein paar Zeilen zu lesen

und weihnachtliche Grüße zu empfangen.

Für mich ist es eine Art Ritual,

die gesammelte Weihnachtspost nach der Vorweihnachtshektik

jetzt nach Heiligabend nochmals in Ruhe zu lesen und zu bedenken.

 

Unser Predigttext heute ist ein kleiner Ausschnitt aus einem Brief,

dem 1. Johannesbrief (3, 1-2):

 

1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt.
2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

 

Aus einem Weihnachtsbrief stammen die Zeilen nicht.

Aber die Botschaft ist weihnachtlich:

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen.

Aus Liebe zu uns Menschen sandte Gott seinen Sohn als Mensch auf die Welt,

er wurde unser Bruder, also sollen auch wir Gottes Kinder heißen.

Ein weihnachtlicher Gedanke unseres Briefschreibers,

lange bevor überhaupt Weihnachten gefeiert wurde!

Die Menschen im frühen Christentum waren eher mit christlicher Lebensführung beschäftigt,

und vor allem mit der Frage, wer Jesus war,

wie sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung zu begreifen sind.

Damit hatte sich schon Paulus in seinen Briefen beschäftigt,

die ersten Evangelien waren inzwischen geschrieben

und Johannes war dabei,

mit seinem Evangelium eine neue Sicht auf Jesus von Nazareth zu eröffnen.

Aus seinem Umkreis stammt der Verfasser des 1. Johannesbriefs,

geschrieben am Ende des 1. Jahrhunderts.

 

II.

Es war eine Zeit der Unsicherheit für die Menschen, die sich Christen nannten.

Ihre Gemeinden wurden in der griechisch geprägten Umwelt als jüdische Sekte wahrgenommen,

sie litten im großen Römischen Reich mit seinem Kaiserkult unter Verfolgung.

Darum erkennt uns die Welt nicht, schreibt der sogenannte Johannes,

denn sie hat ihn (unseren Gott) nicht erkannt.

Für die christlichen Gemeinden war es eine Zeit der Unsicherheit

auch durch interne Streitigkeiten, verschiedene theologische Strömungen konkurrierten.

Da schreibt Johannes einen langen, leidenschaftlichen Brief an seine Mitchristen, darin der Satz:
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!

Eine mutmachende Botschaft für die Christen damals,

auch wenn Johannes klarstellt,

dass auch Gottes Kinder noch nicht vollkommen, also sündige Menschen sind,

die noch auf einen Weg vor sich haben.

Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; schreibt Johannes,

es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.

Johannes wartet wie allgemein die frühen Christen auf die baldige Wiederkehr Christi .

und erhofft sich dann die Klärung:

Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein;

denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

 

III.

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen

Eine stärkende Briefbotschaft auch in unseren Zeiten, wo es alles andere als sicher ist,

wie es mit der Kirche und dem Christentum weitergeht,

unzählige Missbrauchsfälle – zögerlich aufgeklärt – haben Vertrauen zerstört.

Das so christlich geprägte Europa verrät mit seiner Flüchtlingspolitik zentrale christliche Werte.

Die Mitgliederzahlen der Kirchen, gerade auch in Deutschland, gehen stark zurück,

immer lauter werden Stimmen, die bezweifeln, dass wir noch einen Gott brauchen… 

Ich denke, das schafft auch für uns Gläubige in den Gemeinden viel Unsicherheit.

Da ist es wie ein Weckruf für unser Selbstverständnis als Christen:

Meine Lieben, wir sind … Gottes Kinder.

 

IV.

Wie fühlen wir uns als Kinder unserer leiblichen Eltern,

ob sie noch leben oder von uns gegangen sind?

Wir tragen ihre DNA in uns und sind im Guten wie im Schlechten durch sie geprägt,

haben unsere Erfahrungen mit all ihrer Unvollkommenheit...

 

Wie dürfen wir uns als Gottes Kinder fühlen?

Genau genommen sind wir schon immer Gottes Geschöpfe,

als Menschen geschaffen ihm zum Bilde  (1. Mose 27)

Wir tragen Züge Gottes in uns und mit uns.

Der Ursprung unseres Lebens liegt in Gott und ist für immer auch mit Ihm verbunden –

wie Kinder immer Kinder ihrer Eltern bleiben.

Im Alten Testament lesen wir von Gott, der einen Bund mit seinem Volk schließt

und verspricht, immer mit ihm zu sein.

Im neuen Testament zeichnet Jesus im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32)

das Idealbild eines Vaters:

Er entlässt sein Kind in selbstverantwortete Freiheit,

und er hat offene Arme für sein Kind, selbst wenn es gescheitert ist.

Gott ist wie dieser Vater. Wir sind Gottes Kinder, heißt:

Wir haben eine persönliche Beziehung zu Gott,

unserem liebenden, barmherzigen, gnädigen Vater/unserer Mutter.

 

Vor einigen Monaten durfte ich die Taufe meines ersten Enkelkindes erleben. Es war beglückend zu hören und zu spüren, dass die kleine Linda ein Kind Gottes ist.

Ich würde mir wünschen, dass sie Urvertrauen in den himmlischen Vater entwickelt,

und damit in ihrem Leben auch Ängste, Gefahren und Schicksalsschläge durchstehen kann.

Ob sie Gottes ausgestreckte Hand annehmen oder ausschlagen wird,

sie wird Gottes Kind bleiben, der Segen Gottes ruht auf ihr ein Leben lang.

 

Kinder Gottes sein heißt für uns alle,

dass wir einen Vater/ eine Mutter im Himmel haben.

An sie dürfen wir uns jederzeit wenden

in Freude und Leid, mit Dankbarkeit und Klagen und mit unseren Bitten.

Euer Vater im Himmel wird Gutes geben denen, die ihn bitten, sagt Jesus (Matth. 7, 11a).

Wie Jesus es uns gelehrt hat, können wir beten: Vater unser im Himmel…

 

Wir sind Gottes Kinder und als solche alle Geschwister,

verbunden zu einer großen Familie.

Was das bedeutet, dürfen wir in der Johannesgemeinde wohltuend erfahren,

auch in ökumenischer Verbundenheit mit der Heinrichsgemeinde.

Geschwisterliche Gemeinschaft wird oft ganz selbstverständlich gelebt,

in den Seniorenheimen, in Hauskreisen, in der Nachbarschaftshilfe.

Gottes Kinder in unserer Gemeinde sind Menschen mit Fehlern und Verfehlungen.

Wie in Familien gibt es in Gemeinden auch Konflikte.

Wer auf unserer Gemeindeversammlung vor einigen Wochen dabei war,

wird es gespürt haben,

dass Gemeindeleben in der Johannesgemeinde kontrovers diskutiert wird..

Aber selbst dann wie auch im Gottesdienst, beim Kirchenkaffee, in Gemeindekreisen, beim Sommerfest…

es ist ein besonderer Geist, eine besondere Verbundenheit, die zu spüren ist:

Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen, sagt Jesus (Matth. 18, 20).

 

V.

Ich denke, dieser Geist ist der Geist der Liebe, den wir spüren dürfen.

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, …

und … hat Gott uns so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben, so steht es ganz konsequent in unserem Brief  (4, 12).

Das entscheidende Erkennungszeichen Gottes und der Kinder Gottes ist die Liebe. – nicht nur innerhalb unserer Gemeinden,

sondern auch in der Welt, ob diese nun Gott erkennt oder nicht.

Nehmen wir die Weihnachtsbotschaft aus dem Johannesbrief als Weckruf:

Gottes Liebe weiterzutragen und zu leben, was Jesus, unser Bruder uns vorgelebt hat,

das ist unabdingbar, wenn wir als Gottes Kinder in der Welt glaubwürdig sein wollen.

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist,

das lehrte uns die Jahreslosung für das zu Ende gehende Jahr.

Und ein ähnlicher Gedanke kann uns auch mit der Jahreslosung für 2022 ins nächste Jahr begleiten:

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. (Joh. 6, 37)

Amen

                                                                       Prädikantin Friedegard Brohm-Gedeon

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