Predigt vom 6. Januar 2022

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Amen.

Der Predigttext steht im Johannesevangelium, im ersten Kapitel, Vers 15-18:

 

Johannes zeugt von ihm – von wem zeugt Johannes? Da wurde bisher kein Name genannt, sondern nur ein Wesen beschrieben: Wort/Gottes-Wort/ das im Anfang war und in die Welt gekommen ist / Licht und Leben der Menschen ist es – das dauert ganz schön, dann erst in Vers 17 wird der Name genannt: Jesus Christus –

Also: Johannes zeugt von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. 16 Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.

 

Wir beten um den Segen des Wortes:

„Jesus Christus, du Leben und Licht der Menschen, segne Reden und Hören. Und komme uns nah! Amen.“

 

Liebe Gemeinde!

Drei Teile hat eine Predigt oft.

Heute berücksichtigte ich dabei, dass hier viele erfahrene Christenleute sitzen.

Der Rahmenteil ist ein bisschen meditativ, was für Kopf und Herz und ganz direkt aufs Leben bezogen.

Der zweite Teil ist stark fürs Hirn - ein bisschen Bibelkunde samt grundsätzlicher Überlegungen… Und im dritten Teil gehts um Gottes Geheimnis- da kann einem a weng schwindlig werden dabei und gleichzeitig sehr ehrfürchtig - so ähnlich wie wenn man über unser Weltall nachdenkt…

 

Fangen wir an mit dem Teil für Kopf und Herz!

Der schönste Satz aus dem Predigttext, ein Vers, der mich schon lange begleitet und immer wieder bewegt:

Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.

Ja.

Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.

Sie kennen ein Füllhorn.

Bild entfernt.Ein Horn, aus dem Früchte herauspurzeln, wunderbare Weintrauben, leuchtende Äpfel – aber auch Symbole für Gesundheit und Verstand und Freude. In der Antike ein oft verwendetes Bild, vielen Göttinnen und Göttern zugeschrieben, im Barock gerne aufgenommen, mittlerweile nicht mehr so bekannt.

Wenn wir darüber nachdenken, was wir alles von Gott erhalten haben – was ist da herausgepurzelt aus unserem Füllhorn? Große und kleine Köstlichkeiten. Großes, wie Leben und Bewegung – Eltern – Familie – Freundinnen und Freunde – Augen und Ohren – uns so vieles mehr. Zu dem Großen gehört es auch, dass es immer wieder Neuanfänge geben kann, uns Fehler nicht in Ewigkeit hinterhergetragen werden, Versöhnung möglich ist. Was sind die großen wunderbaren Dinge für Sie?

Aber auch kleines Wunderbares: die Marmelade auf dem Frühstücksbrot, Himbeere und schwarze Johannisbeere, von meinem Mann gemacht – Was sind Ihre kleinen wunderbaren Dinge?

„Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.“ Unser ganzes Leben – empfangen aus Gottes Fülle. Wenn wir zu dieser Fülle Jesus Christus sagen, wenn wir in dieser Fülle Jesus Christus erkennen, dann liegen wir richtig.

- Musik zum Drübernachdenken –

So, mit diesem Bild vom Füllhorn  haben wir den Rahmen – wir werden am Schluss nochmal darauf zurückkommen.

Jetzt Teil 2, ein bisschen Stoff zum Denken:

Wann beginnt eigentlich die Geschichte dieses Jesus von Nazareth? Wir kommen vom Weihnachtsfest her, viele haben zu Hause eine Krippe, hier steht auch eine, wunderschön. Also ist die Antwort doch klar: Die Geschichte des Jesus von Nazareth beginnt mit seiner Geburt. Oder ein bisschen vorher, mit Marias Schwangerschaft.

Interessanterweise sehen das von unseren vier Evangelien nur zwei so. Matthäus und Lukas. Wobei auch das nicht ganz exakt ist: Matthäus beginnt mit Abraham und führt dann einen langen Stammbaum auf – bis hin zu Josef, dem Mann der Maria. Bei Lukas ist noch die wunderbare Schwangerschaft der Elisabeth vorgeschaltet, die Johannes den Täufer zur Welt brachte. Aber so grob können wir schon sagen: Bei Matthäus und Lukas beginnt die Geschichte des Jesus von Nazareth mit seiner Geburt.

Bei Markus und Johannes ist das anders. Markus beginnt mit dem Täufer Johannes und mit Jesu Taufe am Jordan. Die Geburt Jesu - völlig uninteressant. Für das Evangelium nicht wichtig. Dieser Markus in seiner trockenen Art tut mir immer wieder gut, wenn Weihnachten zu kitschig, zu betulich, zu wunderhaft wird. Es ist ein gutes Christenleben möglich, ohne die Geburtsfeierei.

Und im Johannesevangelium ist nochmal ein ganz anderer Akzent gesetzt: Der kann einem schon den Atem rauben. Die Geburt Jesu wird mit keinem Wort erwähnt. Dafür aber greift er aus in ein die Zeiten sprengendes, kosmisches Geschehen. Es geht hier nicht nur um eine irdische Person – es geht um das Wort, das im Anfang war – das Wort, aus dem Licht und Leben kommen. Die Fülle, aus der wir empfangen haben Gnade um Gnade.

Ich halte es nach wie vor für ein Zeichen von ungeheurer Weisheit und Größe der alten Kirche, dass sie eben alle 4 Evangelien aufgenommen hat in den Kanon. Die waren ja auch nicht dumm, die haben die offensichtlichen Wiedersprüche und die unterschiedlichen Zugangsweisen zu Jesu Geschichte doch gesehen. Aber sie haben darauf verzichtet, das in eines zusammenzufassen. Das gab es auch damals! „Diatessaron“ heißt das „durch vier“, „aus vier“ – der syrische Christ Tatian hat es – sicher mit viel Arbeit!- zusammengestellt, aus vieren eines gemacht, das dann zusammenpasste. Aber nee, diese Variante wurde nicht genommen in der Kirche, lieber die vier unterschiedlichen nebeneinandergestellt.

Und so haben wir eine große Weite für unterschiedliche Lebens- und Glaubensfragen – mal sind wir da besser aufgehoben, mal dort.

Heute ist also der Johannes dran und das führt uns zum dritten Teil, wieder was für´s Hirn – soviel, dass uns dabei schwindlig werden kann:

„Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist“ – so sagt es der Täufer hier im Johannesevangelium. Und der Beginn von Zeit und Universum – im Anfang war das Wort – schwingt mit.

Das Johannesevangelium ist mit dem Ausgreifen auf ein Welten und Zeiten umspannendes Geschehen nicht alleine. Schon in den Heilsankündigungen im ersten Buch der Bibel kommt es vor. Am Heiligen Abend haben wir beim Propheten Micha gehört: Er kündigt den an, der Friede ist. Seine Ursprünge sind von Anfang und Ewigkeit her. (Micha 5,1)

Das Glaubensbekenntnis, das wir oft an Festtagen sprechen und das wir heute auch gesprochen haben, nimmt diese Vorstellung auf. Da geht es ersteinmal um ein kosmisches Geschehen vor aller Zeit:

Wir glauben ... an Jesus Christus, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott von wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen.“

 - dann erst kommt unsere Welt in den Blick: „für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen...“

Ja, unser Glaube hat Elemente, die sich auf ein ganz konkretes irdisches Geschehen beziehen. Da, dort, zu dieser Zeit. Ein Ort, ein Tod, Zeugnisse der Lebendigkeit des Gemordeten. Bewegung vieler Herzen bis heute.

Und unser Glaube hat Elemente, die Raum und Zeit überspannen. In die Ewigkeit vor und nach aller Zeit ausgreifen, den Kosmos mit allen seinen Galaxien enthalten. „Die Person, die Friede ist – ihre Ursprünge sind von Anfang und Ewigkeit her“ „Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist.“

Manchmal wird mir schwindelig dabei. Trotzdem lässt es sich in langsamen und sorgfältigem Nachdenken erfassen. Das ist mir wichtig. Wir brauchen unser Denken nicht ausschalten. Das ist der Unterschied zu so manchen Dingen, die heutzutage herumgeistern im Netz und bloße Behauptungen sind.

Ein bisschen geht mir beim Nachdenken über die kosmischen Anteile unseres Glaubens so wie beim Nachdenken über den Sternenhimmel. Das Licht, das wir da sehen, ist immer schon Vergangenheit.

Ich lese gerade von Heino Falcke: „Licht im Dunkeln“. Heino Falke hat einer ganz aufwendigen Aktion, die über 20 Jahre lang dauerte, das erste Foto eines schwarzen Lochs organisiert. Ich muss dieses Buch auch sehr langsam lesen, um mitzukommen und manchmal wird mir schwindlig beim Denken – aber es macht auch viel Spaß.

Und ähnlich geht es mir beim Nachsinnen darüber, dass die Person, die unser Heil bewirkt hat, schon dabei war bei der Entstehung aller Welt. „Aus seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.“

Tja und so sind wir wieder beim Füllhorn. Auch der Blick in den Himmel ist so ein Blick in die Fülle, von der wir nehmen Gnade um Gnade – leuchtende Sterne oder ziehende Wolken. Wärmende Sonne oder tiefes Blau.

„Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.“

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp

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