Predigt vom 26. Februar 2023

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Unser Predigttext ist eine bekannte und beliebte Geschichte. Gleichzeitig ist sie tatsächlich in den ältesten und besten Handschriften des Johannesevangeliums nicht erhalten. Daher ist sie nicht als regulärer Predigttext vorgesehen, es ist heute also schon etwas Besonderes. Diese Geschichte kommt mir vor wie ein Meteorit. Wie ein Stein von einem anderen Stern liegt sie da. Und enthält doch so vieles, das ganz nah an Jesus ist, dass wir uns heute ihr anvertrauen können.

Ich lese also aus dem Johannesevangelium, im 8. Kapitel.

2 Frühmorgens aber kam Jesus wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. 3 Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte 4 und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. 5 Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? 6 Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. 10 Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? 11 Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.

 

Wir wollen in der Stille um den Segen des Wortes beten.

„Herr segne Reden und Hören. Amen.“

 

Liebe Gemeinde!

Wie eine Ehe glücken kann, dazu soll auch unsere Predigtreihe dienen. Heute mit einer Geschichte, in der sozusagen der Ehe-Supergau vorkommt.

Gleichzeitig kann diese Geschichte, so wie sie ist, auch Perspektiven geben für alles menschliche Miteinander. Sogar für den Frieden unter den Völkern. Perspektiven, kein Rezept.

Diese Perspektiven zu erkennen, das traue ich Ihnen heute zu. Ich selbst werde nur die Geschichte nacherzählen.

Aus der Sicht einer Person, von der die Geschichte - schweigt. Kein Wort steht hier von dieser Person. Aber sie gehört doch dazu, unbedingt! Ich meine den Ehemann. Ich gebe ihm einen Namen. Ben soll er heißen, von Benjamin. Und um der Symmetrie willen soll auch die namenlose Frau einen Namen erhalten. Ich nenne sie Susannah.

 

Vergnügt klappern die Kupfermünzen in Bens Hand. Ein erfolgreicher Tag Arbeit im Weinberg. Schwer war die Arbeit gar nicht und das Geld, das können Sie gut gebrauchen! Mit geruhsamen Schritten geht er nach Hause. Ob seine Frau heute ihr kleines Feld hatte pflügen können? Eine schwere Arbeit ist das, den Pflug zu ziehen. Da war seine Arbeit im Weinberg leichter! Aber nun gut Frauen konnten eben nicht als Tagelöhnerin arbeiten. Und ein bisschen Geld, das konnten sie gut gebrauchen! Vergnügt klappern die Kupfermünzen in Bens Hand. In das Klappern mischen sich Stimmen, Gemurmel. Ben kennt die Stimmen. Gute Männer sind das, älter als er. Sie wissen viel von Gott. Sie kennen die Heilige Schrift ganz genau. Sie wissen, wie die Schrift auszulegen ist jeden Tag sprechen sie darüber. Es ist erhebend, Ihnen zuzuhören. Wenn ich älter bin, überlegt Ben, wenn ich noch älter bin, dann wende ich mich auch den heiligen Schriften zu!

Auf einmal verstummen die Stimmen und die beiden werden unglaublich schnell. Wo gehen die so schnell hin? In sein Haus! Zur Tür hinein, ohne zu klopfen dann - husch, da kommt eine Gestalt raus, und schwupp ist sie um die Ecke verschwunden! Und schon erscheinen die zwei Gelehrten in der Tür. Sie haben seine Frau in ihrer Mitte! Jeder von den beiden hält einen Arm fest. Ihre Haare ihre schönen blonden Haare sind offen. Er liebt diese Haare. Meistens sind sie zu einem strengen Zopf geflochten. So kann man besser arbeiten! Er liebt es, wenn sie die Haare offen hat. Er liebt es, dieses Haar zu berühren, sein Gesicht in ihnen zu vergraben. Aber warum sind jetzt die Haare offen? Warum weint seine Frau? Warum, warum ziehen die beiden so an ihr?

Langsam, langsam steigt der Verdacht hoch in Ben. Sein Mund wird trocken. Seine Hände ballen sich. Seine Faust umklammert fest die Kupfermünzen, sie schneiden ihm schmerzhaft ins Fleisch.

Die beiden Gelehrten rufen andere zu sich - alles würdige kluge Leute. Ben hört jetzt auch das Wort, dass er lieber nicht zu denken wagte: Ehebrecherrin! Wie ein Messer schneidet sich dieses Wort in sein Herz.

Sie ziehen seine Frau, die geht wie ein Roboter mit.

Wo gehen sie hin? Ben folgt ihnen, mit Abstand, aber geht hinterher - zum Tempel geht es.

Da stehen sie im Halbkreis. In der Mitte vor ihnen seine Frau, Susannah, die er liebt und die ihn verraten hat.

Auf der anderen Seite sitzt ein Mann auf der Erde. Ach, den kennt er! Das ist Jesus. Von dem hat er schon viel gehört. Er kann noch überzeugender von Gott reden als die Gelehrten. Viele Leute sind völlig begeistert von diesem Jesus.

Da stehen sie nun, die Gelehrten in Aufregung und Susanna mit ihrem leuchtenden Haar, in Tränen.

Jesus guckt gar nicht hin.

Die Gelehrten fordern ihn heraus: Unser Recht, unser Gesetz, das sagt, wer beim Ehebruch erwischt wird, soll gesteinigt werden! Was sollen wir also machen mit dieser Frau! Was sagst du?!

Beim Ehebruch erwischt! Ben spürt den Schmerz in seinem Herzen. Er spürt den Schmerz, den Schmerz aller, die verraten werden. Oh, hätte er jetzt einen Stein zu Hand, er hätte ihn schon geworfen! Schmerz gegen Schmerz!

Was wird Jesus sagen?

Jesus sagt erst einmal gar nichts. Ja, er guckt nicht einmal hoch. Er beugt sich nach vorne. Er guckt den Staub an, in dem er sitzt, und er malt mit dem Finger auf der Erde.

Einen Moment lang ist die Szene eingefroren. Ben mit einem Herzen, voll Wut und Zorn und Verzweiflung. Seine Frau, die schluckt und sich die Tränen abwischt. Die Gelehrten, deren herausfordernde Blicke kein Echo finden. Sie probieren es noch einmal: „Was sagst du?!“

Da richtet Jesus sich auf. Für einen kurzen Satz.

„Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“

Dann wendet er sich wieder dem Boden zu. Schreibt in die Erde.

Jesus guckt niemanden an.

Jeder muss sich selbst beurteilen, das eigene Herz erforschen.

Alle sind auf sich selbst zurückgeworfen.

[Das eigene Herz erforschen, das geht leichter, wenn mich niemand vorwurfsvoll anblickt, wenn ich in keine Verteidigungshaltung gedrängt werde.]

Die Münzen in seiner Hand und den Schmerz, den sie ihm bereiten, die spürt Ben jetzt. Und den Schmerz in seinem Herzen sowieso. Und zugleich noch etwas anders: Und wenn er doch öfter den Pflug gezogen hätte, für seine Frau? Vielleicht wäre ihr die Hilfe lieber gewesen als das Geld? Haben sie eigentlich je darüber gesprochen? Hat er sie je gefragt? Er kann sich nicht erinnern.

Verwundet sieht Ben, dass sich der älteste der Gelehrten vorsichtig brückt, einen Stein auf den Boden legt und ganz leise den Kreis verlässt. Ein zweiter folgt ihm und ein Dritter und der nächste und so gehen sie alle. Jetzt steht da nur noch seine Frau mit den offenen blonden Haaren Jesus gegenüber. Der blickt jetzt hoch und schaut sie an. Hat dich jemand verurteilt? Fragt er. [Spricht es noch mal aus das, was man doch sieht.] Nein, niemand sagt sie verwundert, noch nicht fähig zu begreifen, was das es für ihr Leben bedeuten wird. Nüchtern schickt Jesus sie weg. Dann verurteile ich dich auch nicht! Geh hin und sündige, nicht mehr. Verwundert und unsicher dreht sie sich um.

Ben kommt ihr entgegen.

Sie schauen sich an.

Und gleichzeitig genau im selben Moment öffnen beide ihren Mund und fragen gleichzeitig. Willst du mich noch?

Beide nicken.

Und nehmen sich vorsichtig in die Arme.

Und Jesus schreibt auf die Erde. Generationen von klugen Köpfen haben spekuliert, was Jesus da wohl schrieb.

Ich sehe da ein Herz.

Und eine Träne. Ach, dass es Neuanfänge geben kann, das wird ihn Schmerzen kosten, so weiß es der Menschensohn.

An der Stelle, an der die Träne die Erde feuchtete, wuchs eine Blume. Blühte gelb am Ostermorgen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp

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