Predigt vom 24. April 2022

Gottesdienst am                24.4.2022

Name des Sonntags:        Quasimodogeniti

 

In der Begrüßung hatten wir bereits gehört, daß dieser Sonntag traditionell im Zeichen der Taufe steht. Unser heutiger Predigttext paß genau in diesen Rahmen. Er steht im Brief an die Kolosser, Kapitel 2, die Verse 12-15:

12 Mit ihm seid ihr begraben worden in der Taufe; mit ihm seid ihr auch auferweckt durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. 13 Und Gott hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. 14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn aufgehoben und an das Kreuz geheftet. 15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus.

Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

 

 

Liebe Gemeinde!                                                                                                                                       I

„Nein!“ hallt es durch die Kirche, und dann rennt das kleine Mädchen mit etwas tapsigen Schritten im Mittelgang nach hinten.

Drei Jahre ist Dana alt, und heute ist ihr großer Tag: die Taufe. Beim Taufgespräch wurde ihr erklärt, dass Jesus wie ein Freund für sie ist, den sie nicht sehen kann. Das Wasser auf dem Kopf ist ein Zeichen für diese Freundschaft.

Die Idee gefiel ihr eigentlich ganz gut. Der Gottesdienst verläuft dann auch wie geplant: Dana ist ganz aufmerksam und kein bisschen unruhig. Die Ansprache ist keine typische Predigt, sondern eher eine an ihr ausgerichtete Erzählung. Das gefällt ihr. Am Taufstein steht wie mit ihr, ihren Eltern und der Patin besprochen ein Hocker für sie bereit.

Nach den Fragen an die Eltern und die Patin und dem Glaubensbekenntnis kommt Dana mit ihren Eltern zum Taufstein. „So, und jetzt taufen wir dich!“, sagt die Pfarrerin. Und Dana ruft ihr lautes und deutliches „Nein!“ und rennt davon.

Bei Dana hatte niemand von den Anwesenden mit diesem „Nein“ gerechnet. Bei Erwachsenen aber ist das oft anders. Wer zu keiner Kirche gehört, macht meist von vornherein klar: Auch ich würde auf diese Ankündigung mit einem „Nein“ antworten. Dementsprechend selten sind Taufen von Erwachsenen.

Sogar manche ehrenamtlich Aktiven, regelmäßige Gottesdienstbesucher und Menschen, die sich in der Gemeinde wohl fühlen – der Schritt, „Ja“ bei einer Taufe zu sagen, fehlt bei ihnen oft. Einige sind zu wenig überzeugt, einige zu ängstlich und für manche ist es einfach zu befremdlich.

Eigentlich schade: Obwohl die Säuglingstaufe für viele Eltern einfach dazugehört und selbstverständlich ist, fällt Erwachsenen ein entsprechendes „Ja“ oftmals schwer – sogar denen, die eine Beziehung zum Glauben haben und in einer Gemeinde eine Heimat gefunden haben. Aber die Taufe, nein, die ist’s nicht. Was soll die auch schon bewirken?

II.

Dana ist aber nicht nur ein Symbol dafür, wie Erwachsene heutzutage auf die Frage nach einer Taufe reagieren. Selbst der Autor des heutigen Predigtwortes kannte dieses Problem schon: Als er an die Gemeinde in Kolossä schreibt, weiß er, wie wenig die Menschen dort der Taufe etwas zutrauen. Nahezu alle haben sich zwar als Erwachsene taufen lassen; aber bessere Menschen sind sie dadurch nicht geworden.

Wenn man nach den Philosophen und einigen anderen geht, die in Kolossä auf öffentlichen Plätzen Reden halten, braucht es da schon mehr. Sie schlagen vor, bestimmte Speisen und Getränke zu meiden, manche Feste auf eine streng vorgeschriebene Weise zu begehen oder dass es „Zeichen“ geben muss, die zeigen, wie sehr der Glaube sie ergreift und verändert, also ekstatische Erlebnisse.

Der Briefschreiber fürchtet, dass die Kolosser das Wesentliche übersehen könnten; und so arbeitet er mit drastischen, aber für die Menschen damals (und zum Teil auch heute noch) eindrücklichen Bildern:

Er verknüpft die Passionsgeschichte Jesu und die Taufe eng miteinander. Mit der Taufe hat der Täufling Anteil an Jesu Leiden und Auferstehung und das hat Folgen.

Getauft zu werden, ist begraben werden, sagt der Briefschreiber. In der Taufe wird der alte Mensch wie Christus begraben. Der Mensch, wie er bisher war, ist tot. Die Lasten sind weg, die das Leben schwer machen. Das ist ein Schlußpunkt.

Das ist wie wenn es bei Gott einen Brief mit einer Liste unserer Schuld gäbe. Dieser wird an das Kreuz geheftet und getilgt, für null und nichtig erklärt. Der Schuldbrief wirkt nicht über den Tod hinaus.

Das Ja zur Taufe ist aber zugleich Teilhabe an Jesu Auferstehung. Denn so wie vor einer Woche Tod, Begräbnis und Auferstehung von Jesus Christus Thema waren, geht es jetzt um unsere Auferstehung – hier schon, zu einem neuen Leben nach der Taufe und letztendlich auch zum neuen Leben nach dem leiblichen Tod.

Denn mit der Taufe ist schon alles geschehen – für sie, die Christen in Kolossä, schon alles geschehen!

III.

Das passt nicht zur typischen Familienfeier. Sie ist oft ein Danke-Fest gegenüber Gott. Sie zeigt allen Gästen, wie groß die Freude über das Neugeborene oder auch noch ein älteres Kind wie Dana ist. Beides hat seine Berechtigung und seinen Platz; aber vom Kolosser-Brief ist das weit entfernt.

Denn in der Taufe passiert unglaublich Großes: Da wird unser Schuldbrief an das Kreuz geheftet. Das, was oft das Leben vergiftet, ist einfach weg. Eigentlich gibt es kein Entkommen, weil wir immer wieder Fehler machen und andere verletzen. Aber all das ist mit der Taufe tot, begraben und weg.

Was nach dieser „Beerdigung“ aufersteht, ist befreit, Gottes Liebe weiterzugeben und ist beseelt vom Heiligen Geist. Ostern ist nicht damals vor zweitausend Jahren. Ostern ist mitten unter uns.

Die meisten Eltern und Paten haben sowieso nicht nur die Familienfeier im Sinn: Sie spüren sehr wohl, dass bei der Taufe etwas passiert, das über unser Verstehen und Fühlen hinausgeht. Es ist nicht der Eintritt in einen Verein, eine Partei oder einen Club. Die Beziehung zu Gott bekommt ein Zeichen mit ganz einfachem Wasser – und wird, ganz und gar nicht einfach, eine Bindung für das ganze Leben… weil sie unser Verhältnis zu Gott ein- für allemal verändert.

Denn unser Schuldbrief ist weg. Die Zahlungserinnerungen und Mahnungen bleiben aus. Unsere Beziehung zu Gott ist im Reinen. Keine Feier kann beschreiben, was Gott hier Großartiges tut.

Denn mit der Taufe ist schon alles geschehen – für uns, die Christen hier und heute, schon alles geschehen!

IV.

Ostern ist mehr als die Auferstehung vor rund 2.000 Jahren. Es ist das Fest unserer Auferstehung. Mit der Taufe gehören wir dazu. Die Vergebung der Karwoche und die Auferstehung Jesu haben so ihren Punkt in unserem Leben.

Der Autor des Kolosser-Briefs versucht, genau das den Menschen zu vermitteln: Was bisher ihr Leben bestimmt hat, spielt keine Rolle mehr – das Streben nach Macht, das ausschweifende Leben und das ständige Schauen auf den eigenen Vorteil. All das ist begraben und bei der Auferstehung im Grab zurückgeblieben.

Die Taufe ist das Zeichen, dass von nun an anderes im Leben zählt. Dazu haben die Christen in Kolossä „Ja“ gesagt. Sie dürfen darauf vertrauen: Gottes Liebe verändert die Menschen, so dass sie das, was ihnen geschenkt wurde, weitergeben. Der Kolosserbrief beschreibt das mit eindrücklichen Worten: Gott hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus.

Unser „Ja“ haben nur die wenigsten bei der Taufe selbst gesagt. Aber unser „Ja“! zeigt sich immer da, wo wir Gottes Liebe in unserem Leben wirken lassen – gegen die Mächte und Gewalten, die uns so oft in der Hand haben. Wo wir das Lästern über die unsympathische Nachbarin lassen und nicht einstimmen in die menschenverachtenden Stammtischreden über die Asylbewerber, wird das „Ja“ der Taufe lebendig. Wo für den alten Mann zwei Straßen weiter mit eingekauft wird und beim Elternabend auf die Kinder der alleinerziehenden Mutter geschaut wird, bekommt das „Ja“ der Taufe Substanz. Und wo die Zusammenarbeit mit dem hochnäsigen Arbeitskollegen trotzdem gesucht wird und das neue Handy nicht wichtiger als alles andere ist, wird das „Ja“ der Taufe nach außen hin sichtbar.

Was sonst oft das Leben bestimmt, ist seiner „Macht entkleidet“ – und deswegen für uns nicht mehr bestimmend.

Vielleicht merken wir es manchmal gar nicht; aber mit der Taufe ist das alles schon unsere Handlungsmöglichkeit. Es ist alles schon geschehen – für uns, die Christen hier und heute, schon alles geschehen!

V.

Dana sagte schließlich doch noch „Ja“ zu ihrer Taufe. Jesus als Freund, der sie immer begleitet – das hat einfach was. Und Geschenke gab’s ja auch noch zur Taufe.

Das große Geschenk Gottes hat sie damals natürlich noch nicht begriffen. Aber vielleicht kommt sie jetzt schon langsam dahinter und die Taufe und ihr „Ja“ beginnen in ihrem Leben zu wirken. Den liebevollen Freund hat sie ja als Vorbild an ihrer Seite.

Und unser „Ja“? Vielleicht ist das ja gar nicht das Entscheidende. Viel wichtiger ist eigentlich Gottes „Ja“ zu uns. Denn auch das wird bei der Taufe deutlich. Er nimmt uns an, wie Eltern ihr kleines Kind voraussetzungslos annehmen – und hoffen, dass es alle Liebe weitergibt, die sie ihm schenken. Auch wir haben den liebevollen Freund als Vorbild an unserer Seite und haben unsere eigene Geschichte mit ihm: begraben und auferstanden, Schuldbrief vernichtet und jetzt schon Teil des Triumphzugs.

Kein schlechtes Angebot, dieses „Ja“ Gottes. Denn es macht uns frei, mitten unter uns schon zu zeigen, dass alles bereits geschehen ist. Behalten wir es im Gedächtnis und im Herzen … und werben mit unserer Liebe und unserem Leben dafür. Zögern wir nicht! Laufen wir nicht weg! Denn der Hocker steht immer noch bereit. Und wo wir uns von Gott auf ihn einladen lassen, wirkt sie, die Taufe und verwandelt uns!

Und wer sollte dazu schon „Nein“ sagen?

Amen.

 

Arno Mattejat nach einer Vorlage von:

Pfarrer Daniel Lischewski

Würzburger Str. 2, 96152 Burghaslach

daniel [punkt] lischewski [klammeraffe] elkb [punkt] de (daniel[dot]lischewski[at]elkb[dot]de)

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