Predigt vom 25. April 2021

Predigt über Apg 17, 16-17.22-34

16Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, da er die Stadt voller Götzenbilder sah. 17Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden.

22Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23Denn ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.

24Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27dass sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.28Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. 29Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.

30Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. 31Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er
richten will den Erdkreis mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat und den er vor allen Menschen bestätigt hat, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.

32Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören. 33So ging Paulus weg aus ihrer Mitte. 34Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

Liebe Gemeinde!

I

Paulus macht einen Stadtspaziergang. Nein, nicht in Athen, sondern durch Alterlangen. Das große Gebäude mit dem Kreuz interessiert ihn. Sicher ein Tempel, denkt er. Es ist St. Heinrich. Die Tür ist geöffnet. Paulus geht hinein. Hell und freundlich ist es hier. Auch drinnen gibt es ein Kreuz. Es muss eine christliche Kirche sein. Aber warum ist hier niemand? Kein Mensch zu sehen.

Er geht weiter. Schon wieder ein Turm mit einem Kreuz. Aber hier ist die Tür verschlossen. Zum Glück sagt ihm jemand, wie man doch noch hereinkommt. Es dauert ein bisschen, bis er sich an die Dunkelheit gewöhnt hat. Aber da gibt es eine Ecke, die beleuchtet ist. Interessiert schaut er sich um. Dann sieht er das große Kreuz über dem Altar. Auch hier wird also Jesus verehrt. Da vorn möchte er auch sein. Fast wäre es passiert. Gerade noch rechtzeitig hat er die Warnung gelesen: Achtung Alarmanlage. Betreten verboten! Nanu, denkt Paulus. Eine Alarmanlage zwischen Jesus und den Menschen, die hierher kommen? Muss Jesus vor ihnen geschützt werden oder die Menschen vor ihm? Und überhaupt: Wo sind die Menschen? Zwei Kirchen fast nebeneinander und beide leer?

Aber er hat Glück. Er trifft jemand, der ihm erklärt, es sei doch mitten in der Woche. Da ist hier niemand. Also muss es eine Wochenendreligion sein, denkt Paulus. Aber er bekommt eine Liste mit Namen. Da könne er klingeln und bestimmt mehr erfahren.

Gleich der erste Versuch ein Erfolg. Eine freundliche Dame macht ihm auf. Ja sicher, sie gehöre auch zur Kirche. Und ja, regelmäßig gehe sie in den Gottesdienst – immer an Heiligabend. Nur in diesem Jahr nicht. Das mit der Anmelderei sei ihr doch zu blöd.

An der zweiten Haustür ein älterer Herr. Das wolle er gleich sagen: Ein guter Kirchgänger sei er nicht. Trotzdem, sagt er, bin ich in der Kirche und unterstütze sie mit meiner Kirchensteuer. Wer, wenn nicht die Kirche, könne denn sonst noch der Jugend die Werte vermitteln, auf denen unsere Gesellschaft gründet? Und ich schätze auch das Engagement der Kirchen, wenn es um geflüchtete, alte und behinderte Menschen geht.

Paulus ist reichlich verwirrt. Er hat sich das irgendwie anders vorgestellt. Aber er gibt nicht auf. Es ist noch Zeit für einen dritten Besuch.

Wieder wird ihm freundlich geöffnet. Ein bisschen geht das Gespräch hin und her. Dann traut sich Paulus nach dem Gottesdienstbesuch zu fragen. Nein, sagt die nette Dame, mein Gottesdienst ist in der Natur; sonntags wenn ich wandern gehe, dann fühle ich mich im Einklang mit der ganzen Schöpfung. Paulus ist angespannt und knirscht unmerklich mit den Zähnen, während sein Blick über den geschotterten Vorgarten gleitet, wo gerade drei Gartenzwerge mit dem Osterhasen Versöhnung feiern…

Ja, sagt Paulus, Gott ist uns nicht fern. In ihm leben, weben und sind wir. Das haben sie aber schön gesagt, entgegnet die Frau. Ja, davon bin ich überzeugt, sagt Paulus und verabschiedet sich.

Seltsam, denkt er, sie halten sich alle zur Kirche Jesu Christi, aber sie scheinen ihn gar nicht zu kennen. Verehren sie auch einen unbekannten Gott, wie ich es damals bei den Athenern gesehen habe?

II

Paulus macht einen Spaziergang; einen multireligiösen Stadtspaziergang durch Athen. Er sieht sich die verschiedenen Tempel an, spricht hier und da mit den Leuten. Wirtschaftlich war Athen keine bedeutende Stadt mehr. Philosophisch schon. Für interessante Gespräche über das richtige Leben waren die Leute immer zu haben und vor allem an Neuem interessiert. Was hatte Paulus da zu bieten? Im Brief an die Korinther gibt er die Antwort - unser Wochenspruch: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Aber wie lässt sich Christus ins Gespräch bringen? Paulus´ Unterhaltung mit den Athenern ist dafür äußerst aufschlussreich. Er hatte sich in der Stadt die verschiedenen Tempel und Altäre angeschaut. Aufgefallen war ihm besonders einer, der der Verehrung eines unbekannten Gottes bestimmt war. Da ließ sich vielleicht ansetzen. Ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt, sagte Paulus schmeichelnd und würdigt so ihre religiöse Suche. Es muss ihm schwer über die Lippen gegangen sein, denn in Wahrheit hatte es ihn gegraust beim Anblick dieser Tempel. Aber ist es nicht gute rhetorische Kunst, die Gesprächspartner dort abzuholen, wo sie stehen? Erstmal Gemeinsamkeiten ausloten. Dann kann man immer noch auf die heiklen Punkte kommen.

Es ist der unbekannte Gott, der für Paulus eine Gesprächsbasis bildet. Von ihm will er den neugierigen Athenern mehr erzählen. Man stimmt darin überein, dass Gott die Welt und die Menschen geschaffen hat. Dieser Gott muss darum größer sein als alles, was ist. Er kann nicht aufgehen in den Bildern, die Menschen von ihm geschaffen haben. Es kann nicht sein, dass er in Tempeln wohnt und auf die Dienste von Menschen angewiesen ist. Und auch darüber herrscht Einigkeit, dass dieser Gott Lebensort und –zeit der Menschen bestimmt. Wenn Gott alles geschaffen hat, muss auch alles Anteil an Gott haben. Wir sind göttlichen Geschlechts. Darin stimmte er den Athenern zu. Verwegene, neue Gedanken waren das, mit denen er ihnen weit entgegen kam; Gedanken, die er in seinen Briefen nie geäußert hatte. Da stünde man gern unter den Zuhörerinnen in Athen und ließe sich packen von diesem Paulus, der Religion so wunderbar definiert als Suche nach Gott, der sich fühlen und finden lässt, weil er nicht fern von einem jeden unter uns ist. Alles ist in Gott. Gott ist in allem. In ihm leben, weben und sind wir. Alles, was mein Leben ausmacht, ist mit Gott letztlich verwoben. Die Suche nach Gott ist die Sehnsucht, wenigstens ein Zipfel von diesem Webstück in der Hand zu haben und so wissen zu dürfen, dass mein Leben von Gott getragen wird. Dass Gott nicht fern von uns ist; dass wir in ihm leben, weben und sind, ist ein wunderbar tröstlicher Gedanke. Aber wie lässt er sich begründen? Allein mit meiner Sehnsucht und meinem Gefühl? Da kämen wir letztlich wieder bei dem unbekannten Gott der Athener heraus. Oder wir machen uns einen Gott durch menschliche Kunst und Gedanken, wie es Paulus formuliert. Dass Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, lässt sich nicht dahingehend umkehren, dass nun der Mensch auch Gott erkennen kann.

Wenn wir Paulus´ Rede auf dem Areopag verstehen wollen, müssen wir erkennen, dass es an dieser Stelle einen großen Bruch gibt. Paulus war den Athenern weit entgegen gekommen. Er hatte sie „abgeholt“ bei ihrer Gottsuche und war ein Stück mit ihnen gegangen. Aber weiter konnte es nicht gehen. Denn es führt kein Weg von unserer Gottessuche in Gedanken und Gefühl zu dem lebendigen Gott, den Paulus doch ins Gespräch bringen möchte.

Wo ein Weg zu Ende ist, gilt es umzukehren; mit Paulus´ Worten: an allen Enden Buße zu tun. Nicht wir finden im Denken und Fühlen zu Gott, sondern Gott ist für uns in Jesus Christus den Weg zu uns gegangen bis zur äußersten Erniedrigung im Tod am Kreuz, wie Paulus im Brief an die Philipper schreibt. So hat er sich mit uns verwoben. Christus ist der Grund, warum wir sagen können: In Gott leben, weben und sind wir. Darin will Gott erkannt werden. Das passt natürlich gar nicht zur religiösen Suche der Athener. Darum hier der starke Bruch in Paulus´ Argumentation. Denn jetzt redet er von Christus. Er spricht davon wie Menschen auf dem Weg der Umkehr zu Gott kommen, weil Gott durch Jesus zu ihnen gekommen ist. Und dass Gott in Jesus einmal alles richten, d.h. zurechtbringen wird. Und dann zieht er seine vermeintlich größte Trumpfkarte, als er von der Auferweckung Jesu von den Toten spricht. Das müsste doch alle überzeugen und zum Glauben an Jesus bringen. Tut es aber nicht. Wenige glauben ihm; Einige spotten und die meisten sind gleichgültig: Darüber wollen wir dich ein andermal weiterhören. Ein schöner Hinweis darauf, dass auch die beste Rhetorik nicht vermag, was allein Gottes Sache ist: den Glauben zu schenken. Darum steht am Ende des Gottesdienstes die Bitte um den Heiligen Geist.

III

Wir sind zurück in Erlangen. Paulus steht immer noch irritiert auf der Straße und geht in Gedanken die Gespräche durch. Und er denkt sich: Es ist wie damals in Athen. Sie verehren einen unbekannten Gott. Sie wissen gar nicht, welchen Reichtum Gott für uns bereit hat. Sie ahnen gar nicht, wieviel höher als unsere Gedanken der Friede ist, den Gott schenkt.

Jetzt ist er fast ein bisschen aufgebracht, aber auch entschlossen: Energisch geht er zurück in die Kirche. Er durchbricht die Alarmanlage, die laut kreischt. Das war Absicht. Die Leute sollen zusammenlaufen. Was er jetzt sagen will, geht alle an: Ihr habt euch euren Glauben selbst gewebt wie ein schönes Kleid, jeder nach seinem Geschmack. Das ist schön anzusehen. Aber wärmt es auch, wenn es wirklich kalt ist? Ist dieser Glaube tragfähig? Gott will mehr von euch. Vor allem will er mehr für euch. Ihr Christenleute sollt auf Jesus schauen und von ihm lernen, wie Gottes Liebe unser ganzes Leben trägt. Dass ihr euch an Christus haltet, soll eure Umkehr sein. Diese Buße ist die Verlockung zu einem neuen Leben in Christus. Er zeigt uns, dass wir auch in den dunkelsten Stunden nicht ohne Gott sind. Paulus denkt an das, was er schon in Athen gesagt hat. Aber jetzt, von Christus her, kann er es noch mit viel größerer Überzeugung sagen: Fürwahr, in ihm leben, weben und sind wir.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre und regiere eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen

Pfarrer Cyriakus Alpermann

Letzte Aktualisierung