Predigt vom 7. März 2021

Predigt über Eph 5,1-2.8-9

1So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder 2und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 8Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; 9die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Liebe Gemeinde!

Wie war doch gleich die Regel zur Übersetzung eines schwierigen Satzes? „Du musst das Verb finden und bestimmen; dann wird sich auch das Übrige ergeben.“ Daran habe ich mich gehalten. Gleich zweimal begegnet das Wort wandeln. Es trägt den ganzen Predigtabschnitt.

Der Sonntag ist kein Werktag. Das feine Abendkleid ist nicht für die Gartenarbeit. Und wandeln passt nicht für den Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen. Allein das Wort entschleunigt. Wir verwenden es für besondere Räume: die Allee eines Parks, die Räume eines Museums, die Zimmer eines Schlosses oder eben – für die Liebe.

Das Schloss meiner Kindheit war das Potsdamer Schloss Sanssouci. Zu unserem großen Vergnügen musste man gleich hinter der Eingangstür in übergroße Pantoffeln schlüpfen, die mehreren Zwecken dienten. Der Straßendreck an den Schuhen blieb draußen. Das Laufen war eher ein Schlurfen, so dass der Boden stets poliert wurde. Und man war langsam unterwegs. In diesen Pantoffeln gibt es keine Eile.

Ein Raum, in dem wir hoffentlich der Liebe Gottes begegnen, ist der Gottesdienst. Unsere Sorgen und Nöte bringen wir hoffentlich mit. Aber wir lassen auch etwas draußen: den Lärm und die Hektik des Alltags und das ständige In-Anspruch-genommen-Sein. Hier pflegen wir auch etwas: unsere Gemeinschaft, die die Gemeinschaft des Leibes Christi ist. Im Hören auf sein Wort und der Feier des Mahls wird sie immer wieder neu gegründet und gestärkt. Schließlich stellen wir uns auch unter eine andere Zeit, nämlich Gottes Zeit. Wenn wir den Gottesdienst feiern, folgen wir dem Rhythmus von Schuldbekenntnis und Vergebung, von Klage, Bitte und Lob, von Abendmahl, Sendung und Segen.

Wandelt in der Liebe! Primär geht es hier um Gottes Liebe. Und wenn der Apostel schon so ein besonderes Verb für das Erkunden der Liebe verwendet, warum soll ich es mir nicht vorstellen als das Wandeln durch Räume. In denen sind wir nicht als Fremde unterwegs, sondern als geliebte Kinder oder - wie der Epheserbrief an anderer Stelle sagt – als Gottes Hausgenossen; als Menschen, die hier zuhause sind und trotzdem immer wieder ins Staunen geraten. Das Verb haben wir im Blick. Von ihm aus erschließen sich die verschiedenen Räume, die mit den Hauptwörtern überschrieben sind.

Gabe und Opfer - Da möchten wir wohl am liebsten schnell vorbei laufen und gar nicht erst über die Schwelle treten. Denn hier werden wir traditionell mit Fragen konfrontiert, die mehr verwirren als klären: „Musste Gott seinen Sohn opfern? Musste Jesus am Kreuz sterben, damit Gott versöhnt wird?“ Paulus stellt an anderer Stelle klar: Nicht Gott musste versöhnt werden, sondern wir Menschen bedürfen der Versöhnung mit Gott. Und nicht er hat Jesus geopfert, sondern die von Menschen ausgehende Gewalt hat ihn zum Opfer gemacht. Aber er hat sich nicht gewehrt und ist diesen Weg kompromisslos bis in den Tod gegangen. Das ist für mich die besondere Botschaft unseres Altarkreuzes: Seine Identifikation mit den Opfern. Sein Kreuz ist ein Kreuz unter Kreuzen.

Was lag näher, als im Kreuz eine Zusammenfassung seines ganzen Lebens zu sehen? Was lag näher für die Autoren des Neuen Testaments als sich auch der vertrauten Opferterminologie zu bedienen, um Jesu Tod zu verstehen? So wie im Opfer Israels die Unheilswirkung der bösen Tat auf ein Opfertier umgeleitet wurde, so befreite Jesus Menschen von den Folgen ihrer Schuld durch seine vergebende Liebe.

Und das nicht erst am Kreuz! Das Wort Gabe deutet es an: das ganze Leben Jesu ist Gabe seiner Liebe, die Menschen von der Last ihres Lebens befreite.

Wir wandeln weiter. Was ist noch von der Liebe Gottes mit dem Epheserbrief zu erzählen?

Licht und Finsternis – Wenn wir aus einem dunklen Raum ins Freie treten, kneifen wir erstmal überrascht die Augen zusammen. Christus ist das Licht der Welt. Und es scheint auf, wo wir in Verzweiflung getröstet werden, wo Menschen Zuversicht und Hoffnung gewinnen. Christus bringt unser Leben zum Leuchten. So stelle ich mir diesen Raum wie einen Spiegelsaal vor. Er zeigt das eigene Bild. Christus vermag unser Leben so auszuleuchten, dass alles Dunkle Vergangenheit ist. Kaum zu glauben: Wir selbst sind Licht geworden. Und das Licht trägt Früchte.

Güte – Das ist immer die Güte Gottes, deren Spuren wir folgen. Dieser Sonntag Okuli ermutigt, genau hinzuschauen und Gottes Güte zu entdecken. Wir können dazu dem Gebet Jesu folgen. Gottes Güte ist da, wo sein Name geheiligt wird, wo Menschen in der Erwartung seiner Herrschaft leben, im Dank und der Bitte um das tägliche Brot, in der Vergebung der Schuld, der Bewahrung vor Versuchung und dem Bösen in unserem Leben. Im Gebet kommen Dank und Bitte zusammen. So ist Gottes Güte etwas, dass wir nicht für uns allein beanspruchen, sondern mit anderen teilen.

Gerechtigkeit – Im Neuen Testament ist das ein Begriff, der zwei Seiten hat. Es geht um die Gerechtigkeit, die Gott uns schenkt und um die, die Menschen in ihrem Handeln verwirklichen. Mal liegt der Akzent auf der einen Seite, mal auf der anderen; aber immer gehören beide zusammen. Die hier ausgelassenen Verse 3-7 zeigen deutlich: Dem Apostel geht es hier um das Tun des Gerechten; bzw. die Abkehr von allem, was dem Leben im Licht widerspricht.

Wahrheit Was ist Wahrheit? So fragt Pilatus Jesus. So fragen wir täglich im Großen und Kleinen. Was ist wahr, was ist falsch? Was ist der richtige Weg? Was die richtige Entscheidung? Das ist oft schon kaum zu entwirren. Aber hier geht es um mehr. Die Wahrheit als Frucht des Lichts ist qualifiziert als eine die frei macht. Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen, sagt Jesus. Wir erinnern uns sicher alle an Situationen aus der Kindheit, wo wir unseren Eltern etwas verschwiegen haben oder sogar mit einer Lüge gelebt haben. Und wie befreiend es war, als die Wahrheit ans Licht gekommen war. Es gibt die großen Lebenslügen und die ganz kleinen, die gut gemeinten, mit denen wir leben, weil wir meinen, die Wahrheit sei nicht zumutbar. Hinter vielem, das wir tun, wohnt die Angst, die Wahrheit könnte ans Licht kommen. Wahrheit kann schmerzlich sein; aber immer ist sie auch befreiend. Die Freiheit ist ein Kriterium für die Wahrheit als Frucht des Lichts.

„Mit dem Verb musst du anfangen.“ Das ist die Regel. Und so haben wir mit dem Epheserbrief den Raum der Liebe Gottes erkundet. Es gibt aber noch ein zweites wichtiges Verb: nachahmen: So ahmt nun Gott nach. Was für ein Anspruch! Wenn etwa junge Menschen ihre Idole nachahmen, endet es meist irgendwo zwischen Lächerlichkeit und Peinlichkeit. Wie sollen wir Gott nachahmen? Gutes Nachahmen setzt doch genaues Hinschauen voraus. Genau dazu möchte uns der Sonntag Okuli („Augen“) bringen. Wir sollen uns genau umschauen im Raum der Liebe Gottes, den uns Jesus mit seinem ganzen Leben vor Augen stellt.

Das aber ist kein Selbstzweck. Es war nicht die Absicht Jesu, dass wir staunende Beobachter sind. Es war auch nicht seine Absicht, dass wir seine Bewunderer und Verehrer werden. Wenn wir in seiner Liebe wandeln, dann werden wir auch ver-wandelt. Dann folgen auf das eine tragende Verb viele weitere; etwa helfen, heilen, lieben, teilen, leiden aufdecken, aufatmen… Der Weg fängt hier erst an!

Wir lernen Güte; wir lernen, was Gerechtigkeit ist, was Wahrheit bedeutet. Wir lernen, die Welt mit den liebevollen Augen Gottes anzusehen, die Angst und Feindschaft, Lüge und Neid durchbrechen werden. Wir werden ver-wandelt in gute Nachahmer Gottes, wenn wir auf Jesus schauen und seinen Spuren folgen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre und regiere eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen

Pfarrer Cyriakus Alpermann

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