Predigt vom 22. Februar 2023

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

 

Unser Predigttext heute steht im Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom, im ersten Kapitel, die Verse 13 bis 17. Paulus schreibt:

„13 Ich will euch aber nicht verschweigen, Brüder und Schwestern, dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen – wurde aber bisher gehindert –, damit ich auch unter euch Frucht schaffe wie unter andern Heiden. 14Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen bin ich es schuldig; 15darum, soviel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.

16Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. 17Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Hab 2,4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

 

Wir beten in der Stille um den Segen des Wortes.

Gott, gib mir ein Wort für mein Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.

 

Liebe Gemeinde!

Du bist wertvoll. Weil du da bist. Das reicht.

85 Jahre ist er alt. Das ist ja gar nicht sooo alt, sogar hier sind manche älter! Für ihn ist es alt. Früher, da war ein starker Sportler: Lange spielte er Fußball, von Gegnern als „knüppelharter Verteidiger“ respektiert, dann Tennis. Das Skifahren begleitete sein Leben, im Skilanglauf nahm er an Marathonrennen teil. Dabei war der Sport immer Ausgleich seines Berufs, ein aktiver, erfolgreicher Unternehmer war er. Auch sozial ganz engagiert. Jetzt ist er alt. Die Krankheit des Vergessens hat sich schon über Jahre eingeschlichen, oft fehlen ihm die Worte. Die Zitterkrankheit ist auch noch dazugekommen, die Koordination von Händen und Füßen fällt ihm schwer. Da sitzt er nun und sagt resigniert: „Ich kann überhaupt nichts mehr machen!“ Er fühlt sich wertlos. Zum Glück war er zeitlebens auch ein aktiver evangelischer Christ. Ja, es sagt ihm etwas, wenn man ihn daran erinnert, dass wir alle doch aus Gottes Gnade leben.

Es gibt Zeiten im Leben, da wird uns das fast schmerzhaft deutlich: Wir leben aus Gnade und Empfangen. Wir sind wertvoll – NICHT wegen unsers Tuns. Sondern einfach, weil wir da sind. Das reicht.

Der 85jähirge hat als Kind noch die Zeit des Nationalsozialismus miterlebt. Diese Leute, die es tatsächlich wagten, Menschen das Etikett „lebensunwert“ aufzukleben. Eine Haltung, die ja mit 1945 nicht einfach vorbei war.

In unserem Grundgesetz steht deshalb als starker und unveränderlicher Gegenpol gleich im allerersten Artikel zu Beginn: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Der Wert eines Menschen besteht darin, dass er da ist. Das reicht. Das ist im Grundgesetz in säkularer Art ausgedrückt. So dass klar ist: Das gilt für alle Menschen, unabhängig davon, ob sie an Gott glauben oder nicht oder welche religiöse Überzeugung sie haben. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Für Christenleute gibt es noch einen tieferen Grund, den Bezug auf den dreieinen Gott selbst:

Sie und ich und alle Menschen, wir sind wertvoll, weil Gott uns geschaffen hat – und eines Tages zu sich ruft.

Sie und ich und alle Menschen, wir sind wertvoll, weil Jesus Christus für uns gekommen ist, gelitten hat, gestorben ist. Und auferstanden. Weil er uns mit sich zieht durch den Tod hindurch in sein Leben.

Sie und ich und alle Menschen, wir sind wertvoll, weil Gottes Heiliger Geist uns von innen heraus stärkt und erleuchtet und uns miteinander verbindet.

 

Sie merken: Was bei Paulus „Gerechtigkeit Gottes“ heißt, das bedenken wir heute unter dem Aspekt des „Wertes“. „Gerechtigkeit Gottes“ ist der größere Begriff. Da ist ganz viel drin enthalten. Aber eben auch die Frage nach dem Wert, der Wichtigkeit, der Bedeutung, der Ehre der Menschen. Und dass wir das eben von Gott geschenkt bekommen. Es reicht, da zu sein. Wenn wir das froh wahrnehmen, dann sind wir in einem wunderbaren Raum: Im Raum des Vertrauens. „Aus Glauben im Glauben“ Ach, dem Wort „Glauben“ haftet immer diese Bedeutung „irgendetwas ungewisses annehmen“ an. „Ich glaube, dass es heute schönes Wetter wird.“ „Vertrauen“ ist treffender. „Aus Glauben im Glauben“ „Aus Vertrauen zum Vertrauen hin“ – wir leben und vertrauen darauf, dass Gottes Zuspruch reicht: Du bist wertvoll. Weil du da bist. Das reicht.

 

Bei jeder Taufe wird an die Erzählung von der Segnung der Kinder erinnert. Sie kennen die Geschichte von den Müttern (es waren wohl nur die Mütter), die mit ihren Kindern zu Jesus kamen. Sie wollten, dass dieser Gottesmann ihre Kinder segnet. Nun stand um Jesus herum ein großer Männerkreis. Die alle heftig mit Jesus diskutierten. Gelehrt ging es da zu. Um die großen Fragen nach Gott und den Menschen. Die Jünger Jesu wollten die Mütter verscheuchen: „Geht! Was wollt ihr hier?! Die Kinder, die sind doch viel zu klein! Die können doch überhaupt nichts machen! Und gelehrt diskutieren schon gar nicht!“ Jesus hat das zum Glück mitbekommen. Und ist eingeschritten: „Lasst die Kinder zu mir kommen!“ sagt er. Ja, er spitzt das nochmal zu: „Wenn ihr irgendetwas von Gott verstehen wollt, dann haltet euch an die Kinder!“ Schwupp, ist die Gelehrsamkeit und das „machen können“ vom Tisch gewischt. Jesus nimmt sich Zeit für Mütter und Kinder, spricht mit ihnen, legt ihnen die Hände auf und segnet sie.

Es gibt Zeiten im Leben, da wird uns das fast schmerzhaft deutlich: Wir leben aus Gnade und Empfangen. Wir sind wertvoll – NICHT wegen unsers Tuns. Sondern einfach, weil wir da sind. Das reicht.

 

Als Pfarrerin Schnupp vor kurzem unseren Predigttext so im Bodelschwingh-Haus auslegte, kam hinterher eine Bewohnerin und sagte: „So, das muss ich jetzt meiner Nachbarin erklären. Das ist für die ganz wichtig.“ – Ja, da ist das passiert, was den Paulus auch angetrieben hat, „ich bin es schuldig, das Evangelium zu predigen.“

Du bist wertvoll. Weil du da bist. Das reicht.

16Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. 17Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Hab 2,4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp

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