Predigt vom 28. Februar 2021

Priska und Aquila. Gleichberechtigt unterwegs – das ging schon vor 2000 Jahren!

Schon vergangenen Sonntag konnten wir neutestamentlicher Forschung live erleben, kleine, unauffällige Verse im Neuen Testament, die viel verraten über die Zeit der allerersten Christenleute. Ging es letzte Woche um einen Mann mit vielen Namen und seine unbenannte Frau, so befassen wir uns heute um ein Ehepaar, vom dem beide Namen bekannt sind. Die Besonderheit: Der Name der Frau wird zuerst genannt, das heißt, sie hatte große Bedeutung. Ein berühmter Wissenschaftler -A. von Harnack- drückte das um 1900 so aus: „Die Missionarin Prisca und ihr Gatte Aquila“. Gleichberechtigt unterwegs – das ging schon vor knapp 2000 Jahren, das werden wir sehen.

Liebe Gemeinde!

„Schön, dass es dich gibt!“ – das sage ich manchmal und darf es manchmal auch hören. „Schön, dass es dich gibt!“ – ich habe von Paulus gelernt, aufzumerken auf die, die mit mir im Auftrag des Herrn unterwegs sind. Und meine Freude und meinen Dank auch zu sagen. Zum Beispiel schreibt Paulus im letzten Brief, den er in seinem Leben schreibt, im Brief an die Gemeinde in Rom:

Römer 16, 3-5a:
3 Grüßt die Priska und den Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, 4 die für mein Leben ihren Hals hingehalten haben, denen nicht allein ich danke, sondern alle Gemeinden der Heiden, 5 und die Gemeinde in ihrem Haus.

Paulus dankt den beiden. Aber nicht nur er, sondern jetzt wird es groß: „alle Gemeinden der Heiden“ danken den beiden – und auch ihre eigene Hausgemeinde.

Überhaupt sind das hier zwei Versle Bibel mit enorm viel Information: Der Brief an die Gemeinde in Rom ist etwas Besonderes unter den Paulusbriefen: Hier schreibt er nicht an eine Gemeinde, die ihn kennt. Nein, er will erst hin nach Rom und stellt sich dort schon mal im Brief vor. Und er tut das, was wir alle gerne machen, wenn wir jemanden neu kennenlernen: Wir suchen nach gemeinsamen Bekannten. Priska und Aquila kennt Paulus sehr gut, er hat schon bei ihnen gewohnt und mit ihnen gearbeitet. Und die sind jetzt in Rom – höchstwahrscheinlich ist das kein Zufall.

Die Namen sind geläufige Namen im römischen Reich. Priska bedeutet „die Ehrwürdige“, Aquila heißt „Adler“. Dass die beiden jüdischer Herkunft sind – so wie Paulus auch – erfahren wir hier nicht, das wissen wir woanders her. Es ist nichts ungewöhnliches, dass jüdische Leute Namen tragen, die in ihrer Umgebung verwendet werden.

Voller Dankbarkeit schreibt Paulus von Priska und Aquila. Sie haben sich für ihn eingesetzt, für ihn ihr eigenes Leben riskiert an Christus zu glauben und davon zu reden, das konnte damals gefährlich sein. Und wie Paulus und zum Teil mit ihm zusammen, sind sie für Jesus Christus unterwegs. Dazu gleich mehr. Jedenfalls können alle christlichen Gemeinde ihnen dankbar sein. Äh, hier steht doch „Gemeinden der Heiden“ – und ich rede jetzt von den christlichen Gemeinden??? Ja, da müssen wir immer wieder aufpassen, die „Heiden“ oder die „Völker“, die im neuen Testament erwähnt werden, dass sind eben die nicht-jüdischen Menschen, hier also die Christen, die eben nicht aus dem Judentum stammen, sondern von Geburt Griechen waren oder Römer.

Woher wissen wir, dass Priska und Aquila ein Ehepaar sind? Nein, nicht aus dem Römerbrief, hier können wir es nur vermuten. Aber die beiden tauchen auch in der Apostelgeschichte auf, da erfahren wir im Kapitel 18 so einiges über sie:

18 1Danach verließ Paulus Athen und kam nach Korinth 2 und fand einen Juden mit Namen Aquila, aus Pontus gebürtig; der war mit seiner Frau Priszilla kürzlich aus Italien gekommen, weil Kaiser Klaudius allen Juden geboten hatte, Rom zu verlassen. Zu denen ging Paulus. 3Und weil er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete; sie waren nämlich von Beruf Zeltmacher.

8Paulus aber blieb noch eine Zeit lang dort. Danach nahm er Abschied von den Brüdern und Schwestern und wollte nach Syrien fahren und mit ihm Priszilla und Aquila. 19 Und sie kamen nach Ephesus und er ließ die beiden dort zurück.

4Es kam aber nach Ephesus ein Jude mit Namen Apollos, aus Alexandria gebürtig, ein beredter Mann und gelehrt in der Schrift. 25 Dieser war unterwiesen im Weg des Herrn und redete brennend im Geist und lehrte richtig von Jesus, wusste aber nur von der Taufe des Johannes. 26 Er fing an, frei und offen zu predigen in der Synagoge. Als ihn Aquila und Priszilla hörten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer aus.

Paulus kommt von Athen nach Korinth. Eine junge, pulsierende Stadt war das: Erst 44 vor Christus neu gegründet (zuvor über 100 Jahre lang zerstört gewesen), also zur Zeit von Prisca, Aquila, Paulus ist Korinth erst gut 90 Jahre alt – das ist ja nichts für eine Stadt.

Paulus kommt nach Korinth und lernt dort ein Ehepaar kennen. Wie er sind sie als Juden geboren und haben in Jesus Christus den Retter erkannt.

Der Vers 2 ist für Datierungsfragen des neues Testaments unglaublich wichtig: Hier berührt sich biblischer Text mit antiker Geschichtsschreibung. Es ist eine außerbiblische Bestätigung einer frühen Verfolgung: Der Historiker Sueton schreibt in seiner Biografie des Kaisers Klaudius: Die Juden, aufgehetzt durch einen gewissen „Chrestos“, immerzu in Aufruhr, vertrieb er aus Rom. (Iudeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit) – mit „Chresto“ ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Verhörer von „Christus“ – das war damals in Rom eben kein bekannter Name. Und innerhalb der jüdischen Gemeinde dort aber ging es wohl ordentlich hin und her wegen diesem Christus. Klaudius wollte Ruhe in der Stadt. Und schickt deshalb viele Juden weg. Dieses Edikt lässt sich genau datieren: Ins Jahr 49.

Und, nur hier erfahren wir, welche Arbeit genau der Paulus meint, wenn er in seinen Briefen darauf anspielt, dass er sehr oft selbst für seinen Lebensunterhalt aufgekommen ist: Zeltmacher war er – wie dieses jüdisch-römisch-christliche Ehepaar. Ich habe dabei immer an Campingzelte gedacht. Nee, Zelten auf diese Art war in der Antike nicht üblich. Und die Nomaden, die umherzogen und immer wieder neu ihre Zelte aufbauten, waren weit weg von den Großstädten. Wahrscheinlicher ist es, dass es hier um eine Art Sonnensegel geht, die für Marktstände oder die Abschattung in den Amphitheatern gebraucht wurden. Interessant, dass hier ganz klar davon ausgegangen wird, dass Prisca eben genau dasselbe Handwerk auch ausübt. Da wird kein Unterschied gemacht zwischen Mann und Frau.

Also, Paulus trifft in Korinth ein Ehepaar, die das gleiche Handwerk haben wie er, die den gleichen Glauben haben wie er. Sie wohnen schon etwas länger dort, haben eine Werkstatt und: Eine Art offenes Haus – sie verschweigen ihren Glauben nicht, sie erzählen davon in der Synagoge, wenn sie dorthin gehen. Und wenn sich die Christusleute versammeln wollen, dann gehen sie gerne zu Priscilla und Aquila.

Die Verbindung mit Paulus ist so innig, dass sie ihn unterstützen bei seinen Reiseplänen, sie gehen mit ihm nach Ephesus, machen dort wieder eine Werkstatt auf, sind sozusagen sein Basislager. Und führen wieder und weiter ein offenes Haus, wo von Christus erzählt wird, wo gebetet wird und gesungen, gegessen, gelacht, geweint, Glaube und Leben geteilt.

Dieses offene Haus haben sie auch für den Apollos, dem sie ein bisschen weiter helfen können im Verstehen des Glaubens. Sie widersprechen ihm nicht, wenn er öffentlich redet, aber sie laden ihn zu sich nach Hause ein. Und da erklären sie ihm, was sie wissen und was ihm noch fehlt. Eine Art konfi@home vor 2000 Jahren!

Ja, jetzt haben wir aus wenigen, beiläufigen Bemerkungen schon ganz viel erschlossen.

Dieses Paar macht mir Mut: Weil da ganz selbstverständlich die Frau wichtig ist, etwas kann in ihrem Handwerk, weil es ganz selbstverständlich ist, dass sie mit ihrem Mann zusammen eine Hausgemeinde führt. Weil sie als geachtete Lehrerin gezeichnet wird. Ich hoffe, diese Frau kann allen Frauen Mut machen, sich nicht kleinzumachen in falschverstandener Demut, sondern ihre Gaben und Aufgaben klar und selbstbewusst auszuüben.

(Und wenn jetzt eine sagt: „Ja, aber die hatte doch einen Mann!“ Dann muss ich auf die Phoebe verweisen, die den Brief nach Rom brachte, ganz alleine, und als Einzelperson als Mitarbeiterin des Paulus genannt wird!)

Dieses Paar macht mir aber nicht nur Mut, weil Priscilla so selbstverständlich aktiv ist im Handwerk und in der Verkündigung. Dieses Paar macht mir auch Mut, weil sie mit ihrem offenen Haus für das Christentum geworben haben. Manchmal überkommt mich in diesen Tagen die große Sorge um die Zukunft der Kirche, weil alles weniger wird. Da ist die Erinnerung daran, dass Gott seine Leute beruft, dass es auf alle ankommt, und dass sie sich schon finden lassen, sehr, sehr hilfreich.

So schließe ich mich dem Dank des Paulus für Prisca und Aquila an und danke für alle, die ein offenes Herz haben und sich trauen, vom Glauben an Christus zu reden, danke für alle, die ihre Türen öffnen, Gemeinschaft ermöglichen, den Glauben weitergeben. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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