Predigt vom 21. Februar 2021

Biblische Paare (Predigtreihe zur Marriage Week): Petrus und seine Ehefrau. Oder: Ein Alphatier mit namenloser Hilfe im Hintergrund
(Professorin Dr. Oda Wischmeyer, 21.2.2021, Johanneskirche Erlangen)


Liebe Gemeinde,
heute morgen wir haben es mit einem ungleichen Ehepaar zu tun, mit einem Mann, der zu überragender Bedeutung gelangte, die bis heute weltweit anhält – überall auf dem Globus, nicht nur in Rom finden Sie Peterskirchen – und mit einer Frau, deren Namen wir nicht einmal kennen und an die keine Kirche erinnert. Wir wollen heute morgen ihren Lebensweg verfolgen, gleichsam die Stationen dieser Ehe abschreiten, die so ganz und gar unauffällig in einem kleinen Dorf in Galiläa begann und das Paar in die Weite des Römischen Reiches – immer weiter nach Westen – führen sollte. Dazu brauchen wir zwei Predigttexte, die sich gegenseitig ergänzen.


Markus 1
29 Und alsbald gingen sie aus der Synagoge und kamen in das Haus des Simon und Andreas mit Jakobus und Johannes. 30 Die Schwiegermutter Simons aber lag darnieder und hatte das Fieber; und alsbald sagten sie ihm von ihr. 31 Und er trat zu ihr, ergriff sie bei der Hand und richtete sie auf; und das Fieber verließ sie, und sie diente ihnen.


1. Korinther 9
1 Bin ich nicht frei? Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht Jesus, unsern Herrn, gesehen? Seid nicht ihr mein Werk in dem Herrn? 2 Bin ich für andere kein Apostel, so bin ich's doch für euch; denn das Siegel meines Apostelamts seid ihr in dem Herrn. 3 Denen, die mich verurteilen, antworte ich so: 4 Haben wir nicht das Recht, und zu essen zu trinken? 5 Haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas? 6 Oder haben allein ich und Barnabas nicht das Recht, nicht zu arbeiten?


I Die Namen
Paulus schreibt hier über „die Ehefrau des Kephas/Petrus“. Fällt Ihnen der Unterschied auf? Paulus nennt Petrus mit Namen, seine Frau bleibt namenlos, obgleich Paulus ihren Namen natürlich kennt. Sie wird über ihren Mann definiert. Das ist in der neutestamentlichen Zeit nicht selbstverständlich. Wir kennen eine stattliche Reihe neutestamentlicher Frauen mit Namen. Aber insgesamt wurden Frauen häufig über ihre Zugehörigkeit definiert: über ihre Rolle als Mutter, Frau, Tochter.

Soweit also zunächst zu der namenlosen „Frau des Petrus“. Wie anders ist es nun mit diesem Mann, mit Petrus! Im Gegensatz zu seiner Frau ist Petrus der Wichtige, der große Akteur, der Vielnamige. Unterschiedlicher kann die Überlieferung über Mann und Frau kaum sein. Vier Namen des Petrus kennen wir. Zuerst begegnet er mit dem geläufigen jüdischen Namen Simon/Schimon (einer der Söhne Jakobs, Mk 1,16), dann mit dem Beinamen Kephas (aramäisch: kefa=Stein, Fels), dann mit der griechischen Übersetzung von Kephas, Petros (griechisch: Stein, Fels), lateinisch dann Petrus. Den Namen „Felsen“ gab Jesus der Überlieferung nach selbst dem Simon (Mk 3,16). Das Matthäusevangelium berichtet weiter, Simon habe ein klares Bekenntnis zu Jesus als dem Messias abgelegt, und Jesus habe daraufhin Folgendes zu Simon gesagt:

Selig bist du, Simon, Barjona (Jonas Sohn); denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

Hier begegnet der vierte Name des Simon: Barjona, Sohn des Jona (entweder hieß der Vater Jona oder Jochanan/Johannes, so in Joh 1,42). Mit dem Namen Kephas/ Petros hat Jesus dem Simon einen sprechenden Namen gegeben, der ihm blieb und der ihm eine unglaublich große Würde und Verpflichtung auferlegte. Die katholische Kirche hat aus diesem Text letztlich den Primat des Papstes hergeleitet. Im Internet lesen wir einen Kommentar dazu unter dem Titel: „Schwankender Fels“:Schwankender Fels“:

Simon Barjona ist ein Großmaul gewesen, wenn man den Evangelien glauben darf, spontan und impulsiv, mit einem Hang zur Dramatik – und dann wieder ganz schnell verzagt und kleinlaut. (https://www.dw.com/de/schwankender-fels/a-52460420).

Das schreibt ein katholisch sozialisierter Autor. Und soviel auch zum „Alphatier“, dem schwankenden Felsen, dem Mann mit den vielen Namen, dem Ehemann der namenlosen Frau.

Was sagte Simons Frau dazu, als ihr Mann nach einer der Predigtkampagnen mit Jesus wieder nach Hause kam und einen neuen Namen hatte und sein Bruder Andreas sicher „Kephas“ zu ihm sagte und nicht länger „Simon“? Wollte sie mit einem Stein oder Felsen verheiratet sein? War sie stolz darauf? Hatte sie Angst vor diesem Stein? Hatte sie Bedenken,
weil sie ihren Mann als „schwankenden Felsen“ kannte? Das können wir nur fragen, und ich fürchte, dass sich die Jüngerschar nicht um ihre Gefühle und Ängste kümmerte.

II Der Weg
Die Namenlose und der Vielnamige: folgen wir jetzt dem gemeinsamen Weg des ungleichen Ehepaares, einem langen und wechselvollen Weg, dessen Ende im Dunkel bleibt. Der Weg des Petrus ist uns bekannt: vom galiläischen Fischer zum ersten Jünger Jesu und nach Ostern zum wichtigsten Apostel, der von Kapernaum vielleicht bis Rom gelangte. Aber was können wir über seine Frau wissen? Ich habe mich auf die Suche gemacht und einige Nachrichten in den Texten des Neuen Testaments gefunden, eine besonders interessante entstammt den neutestamentlichen Apokryphen.

Die Frau des Petrus war verheiratet – das ist nicht ganz so selbstverständlich, wie wir denken könnten. Wir kennen viele Witwen, aber auch unverheiratete Frauen aus dem 1. Jahrhundert, die ein selbständiges Leben führten. Aber diese Frau war verheiratet, und sie war gut verheiratet: mit dem Fischer Simon (Mk 1,29), was ihren Lebensweg allerdings in einer ganz unvorhergesehenen Weise vollständig neu bestimmen sollte. Sie war Jüdin aus Galiläa und lebte in einem Haus in Kapernaum am See Genezareth. Ihr Schwager Andreas und ihre Mutter lebten mit in diesem Haushalt – vielleicht gehörte das Haus sogar der Mutter. Jedenfalls dürfen wir uns den Haushalt nicht zu klein oder zu arm vorstellen: der Fischfang und Fischhandel am See Genezareth war ihre Lebensgrundlage. So schien ihr Lebensweg zusammen mit ihrem Mann vorgezeichnet. Ihr Mann aber begegnete Jesus, und Jesus heilte ihre Mutter von einer schweren Krankheit. Nach Ostern verließ die Frau des Petrus Kapernaum und lebte mit ihrem Mann in der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem (Apg 1,14). Von Jerusalem aus begleitete sie ihren Mann auf seinen Missionsreisen durch das Römische Reich. Und schließlich wird in einer Schrift aus dem 2. Jahrhundert die Tochter des Petrus erwähnt, die – wie ihre Großmutter – krank war und von ihrem Vater in der Nachfolge Jesu geheilt wurde. Die Frau des Petrus war also auch Mutter. Und Petrus – der erste Bischof Roms, wie die Überlieferung es will – hatte Frau und Kind. Ironischerweise überliefert die apokryphe Geschichte den Namen der Tochter: Petronilla – ob historisch oder erfunden, kann hier offen bleiben.

Sicher ist Eines bei dem Lebensweg dieses Ehepaares: Jesus brach wie eine Naturkatastrophe ihr Leben ein. Für Petrus veränderte sich sein Leben von einem Tag auf den anderen radikal, vom sesshaften Fischer zum Menschenfischer, zum Wanderprediger, und seine Frau musste einfach mitmachen. Aber sie war nicht persönlich berufen wie ihr Mann, sie hatte keine neue religiöse Position und Aufgabe. Ihr Mann aber war ihr auf Dauer entfremdet: zunächst durch seine Teilnahme an der Verkündigungstätigkeit Jesu in Galiläa, durch seinen Zug mit Jesus nach Jerusalem und dann durch die neue stets gefährdete Existenz der Jesusjünger in Jerusalem nach Ostern unter denen Petrus eine Leitungsfunktion hatte.

Wie erwarb sie ihren gemeinsamen Lebensunterhalt? Vielleicht konnte sie das Boot der Brüder verpachten und sich an dem durchaus ertragreichen Fischhandel beteiligen? Hatte sie Angst vor dem gefährdeten Leben in Jerusalem? Wollte sie Kapernaum und ihr Haus verlassen und nach Jerusalem ziehen? Verstand sie Jesu Botschaft? Hat sie mit Jesus Gespräche geführt wie die samaritanische Frau am Jakobsbrunnen? Dachte Petrus überhaupt an seine Frau und an die Konsequenzen für seine Ehe, als er sich Jesus anschloss? Half er seiner Frau bei der Umstellung? Fragen über Fragen. Das Interesse der Evangelisten ist ausschließlich bei Petrus, nicht bei seiner Frau. Petrus ließ sich von Jesus zum „Menschenfischer“ machen und stellte sich trotz seiner persönlichen Schwäche ganz in den Dienst Jesu. Antworten zu der Frau des Petrus haben wir nicht. Eines wissen wir aber doch: Jesus sprach mit Frauen, er heilte Frauen. Frauen unterstützten und begleiteten ihn – alles sehr ungewöhnlich im damaligen jüdischen Umfeld. Und Jesus hatte die Mutter der Frau des Petrus geheilt – wir dürfen deshalb annehmen, dass nicht nur Petrus und Andreas, sondern das Ehepaar und die ganze Familie zu den Jesusanhängern gehörten und dass nicht nur die Mutter, sondern auch die Tochter Jesus dankbar waren, ihm vertrauten, ihm glaubten und ihm „dienten“.

„Dienen“ – damit treffen wir auf ein wichtiges Stichwort, das uns die unterschiedlichen Rollen in dieser Ehe erschließt. Petrus folgte Jesus nach. Die Frauen dienten. Wir dürfen dies Wort nicht falsch verstehen. hier geht es nicht um Dienstmädchen, nicht um Disqualifizierung. „Dienen“ ist Griechisch diakonein: bedienen, Tischdienst versehen. Die Männer lagen bei Tisch, die Frauen servierten. Dies „Dienen“ setzte sich in der nachösterlichen Gemeinde in Jerusalem fort. Lukas berichtet, die Apostel „hielten einmütig fest am Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (1,14). Die Jünger Jesu holten also ihre Frauen nach Jerusalem. Diese führten den Haushalt, wie sie es vorher in Kapernaum und anderswo getan hatten. Die Gemeinde wuchs rasch, Petrus hielt faszinierende Predigten und vollbrachte Heilungen. Die Frauen der Apostel und der Brüder Jesu wurden nicht mehr mit den diakonischen Aufgaben fertig: eigene Diakone wurden eingesetzt, die die Versorgung der Gemeindeglieder organisierten. Die Frauen werden weiter die praktische Arbeit getan haben. Die Frau des Petrus fand sich also in einer völlig neuen Welt mit völlig neuen Menschen zusammen: in der großen und vielgestaltigen Stadt Jerusalem, in einer dynamisch wachsenden Gruppe von Menschen, die an Jesus glaubten und voller Hoffnung und Begeisterung waren, an der Seite ihres Mannes, der als führender Apostel öffentlich sprach und agierte und schon bald – wie zuvor Jesus – mit den Jerusalemer Religionsautoritäten zusammenstieß und zeitweise verhaftet wurde.

Etwas Eigenes konnte die Frau des Petrus nicht tun, sie ging mit und tat das, was sie immer getan hatte: sie „diente“, sowohl in der Gemeinde als auch in ihrer Familie. Der „Dienst“ war sicher ein Kontinuum für sie, das ihr half, mit der neuen Situation fertig zu werden. Aber Fragen bleiben auch jetzt: sehnte sie sich nach Kapernaum zurück? Unterstützte sie innerlich ihren Mann? Wollte sie wirklich die Rolle einer häretischen Jüdin und einer Christusanhängerin übernehmen? Ich denke, dass die neue Jesus-Bewegung so stark war, dass die Frau des Petrus mitgetragen wurde, auch wenn sie oft schwach und verzagt und schwankend gewesen sein mag, so wie auch ihr Mann.

Bald aber sollte sich ihr Leben noch einmal grundlegend ändern: Petrus machte sich nach Antiochia auf, damals eine der vier größten Städte des Reiches, vielsprachig und prächtig. Und wir wissen noch von einer weiteren Großstadt, die Petrus besuchte: Korinth. Die Überlieferung führt das Ehepaar dann nach Rom, ins Zentrum der damaligen Welt. Auch wenn wir hier historische Zweifel haben können, so viel ist aber sicher: die urchristliche Überlieferung traute dem Ehepaar aus dem kleinen Kapernaum am See Genezareth ohne Weiteres zu, sich in der römischen Welt und ihrer Hauptstadt zurecht zu finden.


III Die Freiheit
Und genau das, liebe Gemeinde, scheint mir heute das Wichtigste zu sein: der Verkündigungsdienst des Petrus – Nachfolge – und der Gemeindedienst seiner Frau – Dienst – führten das Ehepaar in eine große Freiheit, gemäß dem Missionsauftrag: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“ (Mt 28,19). Damit waren nicht nur die Männer, sondern auch ihre Frauen gemeint. Paulus hat uns überliefert, wie das aussah. Die Apostel und ihre Frauen besuchten die Gemeinden von Jerusalem bis Rom. Die Ehepaare wurden von den Ortsgemeinden aufgenommen und mit Unterkunft, Nahrung und Geld versorgt. Die Frauen führten ihren Männern jeweils den Haushalt – profan gesagt: sie kauften ein, kochten und wuschen. Sicher unterstützten sie auch die Missionsarbeit ihrer Männer, denn sie hörten Vieles auf dem Markt und anderswo, das die Männer, die ja selbst dauernd redeten, nicht hörten. Ich stelle mir vor, wie Petrus und seine Ehefrau sich ergänzten, wie frei sie beide im Vergleich zu ihrer alten Existenz in Kapernaum waren: Horizonterweiterung und neues Leben in Hoffnung für beide!

Beide, die Namenlose und der Vielnamige, verschwinden im Dunkel der Geschichte. Ihr Ende kennen wir nicht wirklich. Ob sie unter Kaiser Nero in Rom starben, wie die Überlieferung sagt, oder anderswo – sie verdienen Andenken und Dank von uns, der christlichen Gemeinde, zu deren ersten und wichtigsten Gründungsvätern und -müttern sie gehörten. Und sie sind ein starkes Beispiel für das, was unzählige Ehepaare erlebt haben: einen gemeinsamen Lebensweg, der in völlig unvorhergesehene Situationen und Herausforderungen, in Höhen und Tiefen führen kann und den Ehemann und die Ehefrau in ganz neue Lebenszusammenhänge stellt. Wenn auch die Stellung der Ehefrau heute eine ganz andere als zur Zeit des Petrus ist, so ist doch das Zusammenleben, der gemeinsame Weg, geblieben und wird von uns Christinnen und Christen als eine große Möglichkeit erlebt, unser Leben zu führen. Eine andere Möglichkeit zeigt uns der Apostel Paulus, der unverheiratet bleibt – auch das eine große Möglichkeit im Christentum.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus. Amen

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