Predigt vom 4. September 2022

Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis    4. September 2022 Johanneskirche Erlangen

Apostelgeschichte 9,1-20

 

Die Gnade...

In der Stille...

Liebe Gemeinde!

Gott sei Dank können sich Menschen – und Verhältnisse – zum Guten verändern. Von so einer Veränderung hören wir heute. Vom Saulus. Und wie er Christ wurde. Obwohl er doch so sehr gegen die Christen war, dass er sie sogar verfolgte.

Das gibt es in unseren Breiten heutzutage nicht – anderswo auf der Welt schon. Bei uns finden wir eher die gelangweilte Ignoranz. So bei einer Coktailparty, alle stehen da mit ihrem Glas in der Hand. „Sie sind Christ. Wie interessant! Was macht man denn da?“

Ja, was denn? Was macht man denn so als Christin? Unser Predigttext entstand in einer Zeit, da war die Benennung noch nicht fest. Und wir finden hier im Text fünf Bezeichnungen für die Christenleute, die das Wichtigste in Kürze festhalten.

In der Reihenfolge des Vorkommens im Text:

1. Die „Jünger“ des Herrn. Also, genauer: Die Schüler. Und die Schülerinnen natürlich! Also, das Christsein hat was mit Lernen zu tun – oje, schlechte Nachricht, gell, so kurz vor Schulanfang! ;) Naja, erstmal stimmt es einfach, wir alle hier haben mindestens das das Vaterunser gelernt und die meisten auch das Glaubensbekenntnis, viele von uns können die ein oder andere Liedstrophe... Noch in einem tieferen Sinn sind wir Lernende, Schülerinnen und Schüler – des HERRN – da ist Jesus Christus mit gemeint, der auf der Erde die Menschen Sanft-Mut lehrte und Gottvertrauen und eben auch das Vaterunser. Schüler*innen des HERRN – da ist Jesus Christus mit gemeint, der eben als einziger mit vollem Recht „Herr“ genannt wird – eine Herrschaft, die alle anderen, die sich gerne als Herren aufspielen, in Frage stellt.

Ich muss hier eine kleine Klammer anfügen: Eine Kollegin aus Norddeutschland, die ich bei einer Fortbildung kennengelernt habe, erzählte mir von scheußlichen Erfahrungen mit einem Mann, der sich als „Herr“ aufspielte und sie sehr verletzte. Sie kann das Wort „Herr“ nicht mehr hören. Das kann ich nachvollziehen und akzeptieren. Und ich merke auch, dass in einer Umwelt, wo Gott oft auch eine unbekannte Größe ist, das Wort „Herr“ für den dreieinen Gott gar nicht verstanden wird. Andererseits zählt doch auch das Argument, dass die Gottesanrede „Herr“ eben auch ein großes kritisches Potential hat gegenüber allen anderen angeblichen „Herren“ dieser Welt. Wenn doch alle ernst nehmen würden, dass Gott der Herr ist – dann wäre Frieden...

2. Christenleute sind die, die auf dem Weg sind. /Jesus war unterwegs mit den Seinen und die Apostelgeschichte legt dem Auferstandenen die Worte in den Mund: „ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und Judäa und Samaria bis an die Enden der Erde“./ Ein neuer Weg war das einer, der Altes in Ehrfurcht aufnahm und doch Ernst damit machte, dass es einen ganz direkten Weg gibt zu Gott: Der Jesus, der gelitten hatte und gestorben war und auferweckt wurde, der öffnet allen Menschen den ganz direkten Weg zu Gott. Das prägt Lebenswege: Von der Taufe, dem Angeld der Herrlichkeit, über ein lernendes Leben hin bis zur Vollendung – wo auch immer wir gehen, es gilt das Versprechen des Auferstandenen: „Siehe, ich bin bei euch bis an der Welt Ende.“

3. Tatsächlich werden die Christ*innen auch als „Heilige“ bezeichnet. Im Neuen Testament sind da immer alle Getauften gemeint, alle, die zu Jesus Christus gehören, da gibt es keine Abstufungen, sie sind alle „heilig“, das heißt eben: Zur Sphäre Gottes, zum Himmel gehörend.

4. Ein ganz praxisorientierter Name ist das: „Die, die den Herrn anrufen“ – also die, die mit Jesus Christus sprechen. Da ist etwas ganz wichtiges, tiefes benannt: Das Gespräch mit dem Auferstandenen – durchaus mit einer gewissen Dringlichkeit, nicht so dieser Small talk wie auf dem Cartoon, sondern ein Herausrufen des Namens, ein Anrufen. Ob das ein kurzes Stoßgebet ist immer wieder oder eine ruhige Zeit hier in der Kirche, ob es das Mitbeten ist im Gottesdienst oder ein Vaterunser an einem Grab, ob es eine bestimmte Gebetszeit ist zu Hause oder das Tischgebet, ein Dank aus ganzem Herzen oder ein Schrei der Verzweiflung oder eine Mischung aus alledem und viel mehr: Da hat ein Gespräch angefangen und ich weiß gar nicht genau wann und wie, aber rauskommen tue ich nicht mehr aus diesem Gespräch – und ich bin froh drüber.

5. Diese Bezeichnung für Christenleute ist besonders schön. Es ist eine gegenseitige Bezeichnung: Als Brüder und Schwestern. Kinder Gottes sind wir in Jesus Christus und also Geschwister. Wenn Dr. Stahl mich anredet mit „liebe Schwester Schnupp“, dann geht mir das Herz auf – und ich antworte ihm mit Freude „lieber Bruder Stahl“. Und merke gleichzeitig, dass ich mich das gar nicht so oft sagen traue. Aber doch oft denke und fühle – dieser unser Gott und Herr – der einzige, der zu Recht Herr ist – dieser unser Gott und Herr verbindet uns als Geschwister. Wie gut.

So, jetzt haben wir schon was gelernt heute – oder, für die erfahrenen Christenleute: Etwas wiederholt.

Jetzt kommt die Geschichte von der unglaublichen Veränderung des Saulus: Ich lese den Bibeltext mit einigen Anmerkungen vor:

Apostelgeschichte 9

 1 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester 2 und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, dass er Anhänger dieses Weges, Männer und Frauen, wenn er sie fände, gefesselt nach Jerusalem führe.
3Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst.

Wenn Christenleute verfolgt werden, wird Jesus selbst verfolgt. Jesus identifiziert sich mit den Seinen. Das gilt auch umgekehrt: Unser Reden und Handeln wird von außen mit Jesus Christus zusammengesehen...

6 Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. 7Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. 8Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; 9und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.

10Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. 11Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet 12und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und ihm die Hände auflegte, dass er wieder sehend werde. 13Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; 14und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen.

Der Hananias widerspricht. Er will diesen Auftrag nicht ausführen. Er darf seine Bedenken ausführlich darlegen. Das finde ich immer wieder schön am Gespräch mit dem dreieinen Gott, dass da Platz ist auch für Widerspruch.

15Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. 16Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.

17Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. 18Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen 19und nahm Speise zu sich und stärkte sich.

Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. 20Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.

 

Gott sei Dank können sich Menschen (und Verhältnisse) zum Guten wandeln. Im Deutschen ist es sprichwörtlich geworden, dafür die Redewendung „vom Saulus zum Paulus“ zu verwenden.

(In der Apostelgeschichte wird die Sinnesänderung nicht mit der Namensänderung verknüpft. Da ist Paulus einfach die Namensform für den griechisch/römischen Bereich.)

Gott sei Dank können sich Menschen und Verhältnisse zum Guten wenden, um das nicht zu vergessen, kommen wir am Sonntag zusammen. Gott sei Dank können sich Menschen und Verhältnisse zum Guten wenden, da klammern wir uns an dieses Buch, an die Bibel, um da immer wieder daran erinnert zu werden. Und so wird unser Blick geschärft für die Wendungen zum Guten in unserer Zeit.

Ein Beispiel: Mein Schwiegervater. Jahrgang 1912. Erzogen mit dem festen Feindbild im Blick auf Frankreich. Der ERZFEIND ist das, der Franzose. So zog er in den zweiten Weltkrieg. Und kam in französische Kriegsgefangenschaft. Fast 4 Jahre lang. Aber als er wiederkam, wäre er am liebsten mit seiner Frau zusammen wieder dorthin gezogen. „Geste mit of Frankrech?“ [Die wollte nicht – zum Glück für mich, sonst hätte ich meinen Mann ja nie kennengelernt...] Was war passiert?

Ganz schlicht: Er war dort als Mensch behandelt worden. Als Landwirt anderen Landwirten zugeteilt worden. An einem ersten Ort in der Ardeche, da ging es sehr ärmlich zu. Das Essen bestand weitgehend aus Esskastaniensuppe. Die Fleischeinlage waren die Würmer aus den Esskastanien. Aber: Es war gerecht geteilt, die Bauern aßen genau dasselbe wie die Gefangenen eben auch. Später kam er weiter in den Süden, in eine Weinbaugegend, arbeitete für einen Winzer, lernte viel und konnte seinerseits auch Wissen über das Schlachten weitergeben. Wurde eine Art besonderes Familienmitglied.

Und als 30 Jahre später – ohne Vorwarnung, man hatte es nicht so mit dem Schreiben – sein Sohn mit zwei Autos voll Freunden dort in Tuellette ans Tor klopfte – abends um halb zehn, das schaffen auch nur Jugendliche – und sich als Sohn vom „ügo“ vorstellte, da wurde die ganze Band mit Hallo empfangen, bekocht und in einem Häuschen im Weinberg mit einer Schlafgelegenheit versorgt.

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Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Erlangen, September 2022                    Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp

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