Predigt vom 6. Juni 2022 (Pfingstmontag)

Pfingstmontag, 06.06.2022 ökumenischer Gottesdienst in Martin-Luther, Erlangen, Johannes 20, 19-23

 

I. Jesus Christus kommt – auch durch verschlossene Türen
(Pfarrer Marcel Jungbauer)

Liebe Schwestern und Brüder!

Schön, dass ich das (dass wir das) heute zu den Gemeindegliedern beider Konfessionen sagen können.

Schön, dass Sie die Türen aufgemacht haben und heute zusammen gekommen sind. Denn im Text dieses Tages stehen am Anfang verschlossene Türen. Aus Furcht haben die Jünger sie fest zugemacht. Und ich kann die Jünger gut verstehen – Sie vielleicht auch. Der Krieg in der Ukraine hört nicht auf. – Geht es Ihnen auch so? Langsam stumpft man ab gegen diese Meldungen. Die Rollläden gehen runter. Lieber auf den Berg am verlängerten Wochenende! Aber wie ist das jetzt mit Corona? Da lauern schon die nächsten Konflikte: Die einen wollen die Freiheit nutzen, die anderen sind verständnislos, wie man so unverantwortlich sein kann. Die Rollläden gehen zu. Und dann das Zugunglück in Garmisch! Darf man sich noch auf die Straße trauen? Um in der pfingstlichen Vielsprachigkeit zu bleiben: Ein Satz bewegt mich schon die ganzen Wochen: „Aprite! Spalancate le porte a Cristo!“ „Öffnet – reist die Türen auf für Christus.“, sagte Johannes Paul II. Wollen wir das? Der gemeine Franke sagt eher: „Ach, da muss ich ja aufstehen.“ Aber das Wunder von Pfingsten ist: Jesus Christus kommt durch verschlossene Türen, auch wenn mein Herz zu ist, auch wenn ich die Meldungen nicht mehr hören kann. Er kommt und sagt: „Friede mit dir.“ „Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.“

Liebe Schwestern und Brüder, das brauchen wir, das sind die Flammen des Pfingsttags: Die Hoffnung, dass er kommt, auch wenn die Türen zu sind. Wie kommt er? In Menschen! Ich erlebe das gerade in Frauenaurach. Unsere Räume waren im Winter nicht heizbar – Türen zu. Die evangelische Gemeinde hat uns Obdach gewährt. Türen gingen auf. Freude ging auf. „Aprite! Spalancate le porte a Cristo!“

 

II. Die Wunden als Erkennungszeichen (Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp)

Wer kommt da durch die verschlossene Tür? Eine bekannte Person oder eine unbekannte? Bringt diese Person Gutes oder Böses? Ist sie von Gestapo oder Stasi – kommen Leute mit guten Absichten denn einfach so durch verschlossene Türen? Wie einen Ausweis zeigt Jesus seine Hände. Und seine Seite. Wie einen Ausweis zeigt Jesus seine Wunden. Gelitten hat er und das wird man ihm in Ewigkeit ansehen. Die Wunden sind aufgehoben: In den Himmel hineingehoben, in Gottes Bereich hineingenommen. Die Wunden sind aufgehoben: Sie sind nicht mehr tödlich und tun nicht mehr weh. Die Wunden sind aufgehoben: Sie werden bewahrt, denn sie bilden Jesu Identität und unser Heil. Zu diesem Jesus mit seinen Wunden können wir gehen mit unseren eigenen Verletzungen, damit sie – aufgehoben werden: Unsere Wunden, bei Jesus werden sie in Gottes Bereich hineingenommen: „Aufgehoben“

Unsere Wunden, bei Jesus wird das tödliche daraus weggenommen, sie tun nicht mehr weh: „Aufgehoben“

Unsere Wunden, bei Jesus werden sie bewahrt – sie gehören zu unserer Identität – mit unserer ganzen Person sind wir bewahrt bei ihm, gut „aufgehoben“.

 

III. Friede sei mit euch! (Pfarrer Marcel Jungbauer)

„Friede sein mit euch“, sagt Jesus.

Frieden – das wünschen wir uns für unsere Welt, für die Ukraine besonders. „Herr, lass doch die Türen aufgehen, nicht dass Panzer durchrauschen, sondern dass Menschen wieder zusammenfinden.“ Das ist meine Hoffnung: Obwohl die Türen fest zu waren, kam Jesus, sagte: „Friede sein mit Euch.“ Und die Welt ändert sich. Die Wandlung beginnt nicht im Großen, nicht als Blitz vom Himmel und alle Gegner sind vernichtet, alles Unheil beseitigt. Ich denke da auch an die Leiden der Angehörigen in Garmisch, die am liebsten alle Türen fest zumachen würden. Die Wunden zu überwinden, das beginnt im Herzen, da wo es weht tut, da wo es blutet. Da legt Jesus, der alles überwunden hat, auch bei uns seinen Verband an, trägt die Salbe auf. Wenn die Rollläden zu sind zwischen Menschen. Kennen Sie das? Wenn es so schwer ist, wieder anzufangen – wie bei den Jüngern. Dann kann ich nur beten: „Herr, lege Frieden in meine Seele, nicht um zu sedieren, sondern um, wie die Jünger, neu anfangen zu können.“ Wenn alles zu viel scheint, wie den Opfern von Garmisch, dann bitte ich: „Herr, komm durch die verschlossene Tür, damit wieder Licht hereinkommt, wie bei den Jüngern.“ Und er kommt. Er kommt in Menschen, in hellen Gedanken, in Einfällen, in der Kraft aufzubrechen. Wenn zwei oder drei in diesem Geist zusammenkommen, dann brennt es. So ist die Jugend in St. Xystus aufgebrochen zum Zeltlager, um nach so langer Zeit wieder Gemeinschaft zu erfahren. So wünsche ich es den Hilfskräften bei Unglückfällen, dass sie mit dieser Kraft im Herzen, Türen ins Leben öffnen.

 

IV Vom Heiligen Geist und den Sünden (Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp)

Dazu gibt der Auferstandene den Heiligen Geist. „Er hauchte sie an“ heißt es hier – das ist mal eine ganz andere Geschichte als die, die viele von uns gestern gehört haben. Mit dem Feuer und den Sprachen und dem Lauten…

So kann es eben auch gehen mit dem Geist: Da fühle ich ein Frühlingslüftchen auf den Wangen und fange an zu lächeln. Da streift mich der Pfefferminzatem des jugendlichen Kaugummikauers und ich merke: Jetzt packen wir gemeinsam an und dann gewinnen wir diese Runde im Spiel! Da rieche süßen Babyatem und werde bestärkt in meinem Einsatz für die Natur, auch wenn es mir manchmal anstrengend ist. Da schnuppere ich nur vorsichtig den Knoblauchgeruch der alten Frau und werde erfüllt von Gottes Nähe und Erbarmen.

Der Geist Christi ist es, der uns anhaucht.

Und dann kommt dieser rasante letzte Vers mit den Sünden: „Welchen ihr die Sünden erlassen werdet, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“

An diesem Vers kaue ich jetzt seit Wochen rum. Und es gäbe unendlich viel dazu zu sagen - aber ich muss mich hier und heute ja beschränken.

Also mal soviel: Es geht hier um das Zusammenleben als christliche Gemeinschaft. Es geht nicht um irgendwelche Sünden von irgendwem irgendwo. Es geht um das Zusammenleben vor Ort. Und da ist es erstmal eine ganz lebensnahe Erkenntnis: Wir können den Menschen, mit denen wir zusammenleben, ihre Verfehlungen immer und immer wieder vorwerfen. Das ist z.B. der ideale Weg zur Ehescheidung: Sich Fehler gut zu merken und sie dem Gegenüber immer wieder vorzuwerfen. „Und außerdem hast du schon letztes Jahr den Hochzeitstag vergessen!“

Also, ein ideales Gedächtnistraining und der beste Weg zur allgemeinen Verfeindung: Fehler gut merken und immer wieder hervorholen. „Welchen ihr die Sünden behaltet, denen sind sie behalten.“

Und andersrum der Königsweg zum guten Miteinander: Kleine Fehler übersehen, größere schnell ansprechen und Missstimmigkeiten ausräumen, bei ganz großen: Hilfe suchen.

Eine Szene aus dem beeindruckenden Film „Honnecker und der Pastor“: Da wurde dem Pfarrer, der dem Honnecker Asyl gewährte, vorgeworfen von einem Menschen, der sehr gelitten hatte unter den von Honnecker verantworteten Bosheiten: „Du kannst dem Honnecker doch nicht verzeihen, was er mir angetan hat!“ Die Antwort des Pfarrers: „Das habe ich auch nicht. Ich habe ihm nur verziehen, was er mir angetan hat. Aber ich rate dir, wenn du nicht in Verbitterung untergehen willst: Verzeih ihm!“

Viel gäbe es hier noch zu bedenken – vielleicht kommen wir ja drüber ins Gespräch?

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Letzte Aktualisierung