Predigt vom 18. April 2021

Liebe Gemeinde!

I Schokoriegel oder Protein/ nur süß oder auch nahrhaft?

Wie erging es Ihnen und Euch mit diesem Lied gerade? „Weil ich Jesu Schäflein bin“ – ist Ihnen das lieb und wert, dieses Lied? Oder quillt für Sie da schon der Kitsch aus jeder Note? Ist Ihnen dieses Lied nur Schokoriegel oder auch Proteinquelle? Nur süß oder auch nahrhaft?

Ich hab das Lied gelernt in der vierten Klasse, in einer Zeit, in der ich mich wohlfühlte in meinem Leben, Geborgenheit zu Hause erlebte, Anregung und Zusammenhalt in der Schule. Das schwingt für mich mit bei diesem Lied. Und dann noch ein Rap, den wir mal auf einem Pfarrkonvent gedichtet haben. Der Rap wurde gesprochen, das Lied im Hintergrund gesungen. Der Rap war natürlich härter: Der Herr ist mein Hirte und mir fehlt nix. Bin ich auch mal scheiße drauf, hilft der Herr mir immer wieder auf.

Hesekiel jedenfalls ist weniger süß, der Prophet kennt die Härten, nennt die Dinge beim Namen – wortgewaltig wegweisend bis heute.

Wir hören den Predigttext, er ist eine Auswahl aus dem 34. Kapitel beim Propheten Hesekiel:

341Und des Herrn Wort geschah zu mir: 2Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr:
Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden?
10 So spricht Gott der Herr: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.

11 Denn so spricht Gott der Herr: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. 12 Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. 13 Ich will sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande. 14 Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels. 15 Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der Herr. 16 Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. (wörtlich: mit Gerechtigkeit//mit gutem Gesetz)
31 Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der Herr.

In der Stille...

II Wehe den Hirten, die sich selber weiden! Gegen die Hirten, die ihre Schafe fressen...

Wehe, den Hirten, die sich selber weiden! – Griffig formuliert. Problemlos ließe sich hier eine ganze Predigt halten mit hochaktuellen Beispielen. Über Politiker, die mit Maskengeschäften Unsummen zusätzlich verdienen, während andere fleißige Leute nicht mehr wissen, wie sie ihre Existenz sichern können. Und so weiter – nein, diese Predigt halte ich nicht. Aber wach sein dürfen wir schon und unseren Hirten und Hirtinnen in Staat und Kirche auf die Finger schauen. Weiden sie sich selbst? Oder kümmern sie sich um ihre Herde? Und wenn wir was zu kritisieren haben, dann verleiht uns Hesekiel Sprache...

Nicht übergehen möchte ich aber auch, dass es auch treue Hirtinnen gibt und Hirten in Kirche und Politik und Wirtschaft. Beispielhaft finde ich den Erlangener Unternehmer, der die Gurgeltests hier angestoßen und organisiert hat – ein Riesenschritt an Testmöglichkeit in unserer Stadt.

III Wer ist Hirte – wer ist Schaf?

Als ich zehn war, sang ich heiter „weil ich Jesu Schäflein bin“ – zu meiner Einführung in der Johannesgemeinde erhielt ich viele gute Wünsche. Einer davon lautete: "dass dir nie ein Schaf verloren gehe“ – oh, ich bin aufgestiegen vom Schaf zur Hirtin. Ehrlich gesagt, nein evangelisch gesagt: Das sind keine festen Posten – das kann heute dies sein und das andere.

Die Eltern werden heute unsere Konfirmandin segnen. Eines Tages aber kann es sein, dass die Konfirmandin ihre Eltern segnet. Oder einen anderen Menschen. Ich habe immer wieder von Präparanden und Konfirmandinnen gelernt, manchmal durch Fragen, die sie stellen, manchmal durch Ideen, die sie hatten, manchmal durch Sätze voller Gottvertrauen. Dein Konfirmationsspruch, liebe Nerea, imponiert mir: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Es macht mir Mut und freut mich und gibt mir Hoffnung für den Frieden, wenn ich merke, dass junge Leute so unterwegs sind!

Ich mache einen Besuch und höre zu – mit großen Ohren höre ich zu. Will ein bisschen trösten durch mein Hören und Mitgehen. Und merke auf einmal: Mir wird gerade Mut zugesprochen.

Ich besuche einen krebskranken Jungen, etwa 8 Jahre alt ist er. Ich erzähle ihm von David. Wie er zum König gesalbt wurde, obwohl er der allerkleinste seiner Geschwister war. Ich salbe den Jungen und sage: „Für Gott bist du ein König!“ Und der Junge antwortet: „Und jetzt du!“ Und dann hat er mich gesalbt, mir Öl in die Hand gestrichen und gesagt: „Für Gott bist du einen Königin!“ Ein Moment der Stärkung bis heute für mich.

Ich kann es auch mit Luther auf Latein sagen: per mutuum colloquium et consolationem fratrum durch das wechselseitige Gespräch und den Trost der Brüder (Geschwister) – so erreicht uns das Gotteswort. (Schmalkaldische Artikel III,4)

IV Der Hirtenstab – „ich will sie weiden wie es recht ist// mit Gerechtigkeit// mit dem guten Gesetz// bemišpat“)

Der Hirtenstab ist ein tolles Ding: groß und fest. Unten sowas wie eine kleine Schippe dran. Ein Multifunktionsgerät, da gab es das Wort noch gar nicht. Mit dem Stab kann der Hirte Löcher graben – nach Wasser in dürren Gegenden. Oder um einen Pflock einzusetzen, für den Pferch, der die Schafe schützt in der Nacht. Mit dem Stab zeigt der Schäfer den Weg und die Richtung. Manchmal wird ein Schaf direkt damit dirigiert. Der Hirtenstab schafft Recht zwischen Schaf und Schaf (vgl. Verse 17-22), da kann der Hirte einschreiten, wenn ein Schaf weggedrängt wird vom stärkeren. Ja, wenn ein Feind abgewehrt werden muss, ist der starke Stab eine gute Waffe.

„Ich will sie weiden“, so sagt es Gott, ich will meine Herde weiden „mit Gerechtigkeit“ –  ich will meine Herde weiden mit gutem Gesetz.

Das ist mal ein Hirtenstab! Wir kräuseln beim Wort „Gebot“ gern mal die Nase. Dabei: Was für eine gute Richtung geben die 10 Freiheiten, so möchte ich sie mal nennen, ab! Da lang – da ist es gut! Die Götter dieser Welt, ob sie nun Schönheit oder Reichtum oder Gewalt heißen: Du bist frei davon! Du kannst wahre Worte reden! Treue ist möglich! Wir haben heute auch ein Paar unter uns, das goldene Hochzeit feiert! und so weiter... Was für ein Hirtenstab! Gute Richtung erhalten wir hier. Frisches Wasser wird gegraben im dürrer Gegend, Recht geschaffen zwischen Schaf und Schaf...

V Ganz kurz: kein Hirtenhund

Nur eine ganz kleine Beobachtung: Für das Bild von Gott und seinen Leuten genügen in der Bibel der Hirte und die Schafe. Eine entlegene Stelle (Iob 30,1) zeigt, dass es Hunde gab bei den Herden – im Bild für Gott und sein Volk ist kein Platz für Hunde – da geht es ganz direkt zu. Die Unmittelbarkeit Hirte-Schaf ist groß.

VI Unser guter Hirte

Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.

Ach ja, ach wie schön. Doch, ich kann mich dem einfach hingeben. Kenne so viel von Jesus, der genau das getan hat. Weiß von seiner Auferstehung und dass ich mich einfach an ihn hängen kann, dann zieht er mich schon durch – sogar durch die Hölle hindurch. Grad haben wir auch davon gesungen. Was mir besonders gut gefällt: Was fett und stark ist, will er auch behüten, wir müssen uns nicht künstlich klein machen für unseren guten Hirten.

Als Antwort auf diese Verheißung kann der Trauspruch unseres Jubelpaares gelten: „Freuet euch im Herrn und abermals sage ich: Freuet euch!“ Was auch ist, Gott wird uns recht hüten, ja, so werden wir behütet und bewahrt Jahre und Jahrzehnte hindurch. Grund zur Freude!

Ach, Herr Jesus, kindlich komme ich zu dir, danke für allen Schutz und alle grüne Weide. Und bitte für deine Welt, all deine Schafe, die doch dir gehören: Komm und weide sie wie es recht ist! Richte zwischen Schaf und Schaf. Schick die Hirten weg, die ihre Schafe fressen. Bringe deine Völker zusammen von den Enden der Erde, damit unter einem Hirten eine Herde aus allen werde!

Amen.

Pfrin. Dr. Binaca Schnupp

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