Predigt vom 5. November 2023

Reformationserinnerung 
mit Beteiligung des Diakonischen Zentrums (Hort)
und musikalischer Unterstützung (Jembe & Schlagwerk)
Predigt zu Psalm 46

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.

Predigttext Psalm 46
Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe 
in den großen Nöten, die uns getroffen haben. 
3 Darum fürchten wir uns nicht,

wenngleich die Welt unterginge 
und die Berge mitten ins Meer sänken, 
4 wenngleich das Meer wütete und wallte 
und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.

5 Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, 
da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. 
6 Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben; Gott hilft ihr früh am Morgen.

7 Die Völker müssen verzagen und die Königreiche fallen, 
das Erdreich muss vergehen, wenn er sich hören lässt.

8 Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz. 
9 Kommt her und schauet die Werke des HERRN, 
der auf Erden solch ein Zerstören anrichtet, 
10 der den Kriegen ein Ende macht in aller Welt, 
der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt.

11 Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! 
Ich will mich erheben unter den Völkern, ich will mich erheben auf Erden.

12 Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.
 

1.    Einleitung
Luthers Lied „Ein feste Burg“ lehnt sich an diesen Psalm an. In der 2. Strophe haben wir gerade gesungen: „Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren.“

Solche Worte fand Martin Luther vor 500 Jahren. Beim Anblick der Welt, beim Anblick der Quälerei, beim Anblick der Krankheiten, beim Anblick der damaligen Kindersterblichkeit, der Ungerechtigkeit, Armut, blutigen Kriegen, Folter und öffentlichen Verbrennungen.

Ja, ohnmächtig und verloren kann man sich vorkommen vor der Bosheit der Welt, damals wie heute. 
Auch heute erschrecke ich.

Ich erschrecke natürlich vor dem Angriff der Hamas. 
Und ich erschrecke genauso vor der skrupellosen Rache und dem Sterben und Aushungern in Gaza. 
Ich erschrecke vor der Unfähigkeit Europas, Flüchtlinge endlich gerecht zu verteilen. 
Ich erschrecke vor unserer Politik, die Flüchtlinge in verschiedene Klassen einteilt. 
Ich erschrecke vor meinen Mitmenschen hier in Erlangen, wenn ich gestern einkaufe und der Supermarkteingang übersät von Müll ist, der nicht nur von Einer Person achtlos fallen gelassen wurde. 
Ich erschrecke vor der Realität, und will nicht wissen, wie viele Kinder letzte Nacht gequält wurden, auch hier in unserer Stadt. 
Ich erschrecke mich. 
Vor noch so viel mehr.

Es war damals eine Welt zum Fürchten. Und heute auch.

Der Psalm spricht es aus. Bildlich: Ein Tosen, ein Sturm auf dem Meer, unheimlich. So sehr, als würden Berge untergehen.

2.    Wo ist Gott?
Unheimlich, und keine Rettung in Sicht?
Im Psalm nähert sich die Hoffnung leise. Leise und ruhig. 
Da ist eine Stadt. Eine Burg. Ein geschützter Ort. 
Irgendwo. 
Da ist ein Ort, und da wohnt Gott. Und dieser Ort sei sicher. 
Jeden Tag, jeden Morgen neu kümmert sich Gott um diesen Ort des Friedens.

Wir könnten fragen: Was nützt mir das? Schön für Gott. Seine Stadt. Irgendwo. Seine Burg. Seine Quellen und Brunnen. 
Wo bin ich? Ich bin noch draußen. Vor seiner Stadt. Auf dem tosenden Meer. Und ich höre die Stimmen, der leidtragenden Menschen, die rufen: „Ich bin im Krieg und verwundet.“ „Ich bin todkrank und ohne Medizin.“ „Ich bin ein Soldat mit schlechter Ausrüstung.“ „Ich bin Krankenschwester und erschöpft.“

„Die Völker müssen verzagen“. Heißt es im Psalm. Ja die Schwierigkeiten, Ängste und das Bangen bleiben real. Vor Jahrtausenden und heute.

Und dann mittendrin: Das Psalmlied stoppt. Nicht mehr der Sänger singt. Nicht mehr der Mensch. 
Gott selbst spricht: „Seid still!“ Aber er sagt es nicht zu den Stürmen, nicht zum Elend, nicht zur Gewalt. 
Er sagt es zu den Menschen, seinen Geschöpfen: „Seid still!“

Er sagt zu seinen Menschen, zu uns, die zweifeln und fragen: Wo bist du Gott? Wo bist du bei all der Zerstörung? Wo bist du als Schöpfer und Vater bei so viel Not?

Erste Kerze ausblasen

Wo bist du Jesus, den man Retter nennt?  Wo bist du, wenn im Sturm in der Nacht auf Donnerstag, in Europa auch Kinder gestorben sind.

Zweite Kerze ausblasen

Wo bist du, heilige Geistkraft, die Liebe in dieser Welt? Bei all dem Hass, der sich verbreitet? 

Dritte Kerze ausblasen

Gott spricht: „Seid still!“
Geben wir ihm eine Chance, werden wir tatsächlich still für einen Moment, jetzt, 
und geben wir unserer Seele eine Chance, die Gegenwart Gottes wahrzunehmen.

(Stille, dann alle 3 Kerzen wieder an)

„Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!“
In all dem Trubel des Lebens, in all dem Unwetter, und Chaos. Bei allem Ärger und Leid, 
anhalten, still werden, Gottes Stimme zulassen.

Was wird passieren?
Im Psalm folgt keine Erklärung für den Hass und die Gewalt und die Not in der Welt. Die Welt bleibt wie sie ist. Aber der Mensch, der Gott wahrgenommen hat, verändert sich. Er klagt nicht weiter an, das Chaos, und die Not und das gefährliche Meer.

Der Mensch nutzt seine Stimme und bekennt sich zu Gott. Ja, Gott lebt. Ja, Gott ist mein Schutz. Ja, Gott ist mit uns. Er ist eben nicht versteckt in seiner eigenen Burg, sondern er ist lebendig. Er erhebt sich. Sein Schutz reicht bis zu mir.


3. Kann auch ich ohne Furcht leben?

Am Anfang habe ich gesagt: Ich erschrecke mich. Vor so vielem. 
Hilft mir dieser Psalm jetzt furchtlos zu sein?

Etwas hat mich erstaunt beim Lesen des Psalms. Sie können ihn sich gerne auf dem Gottesdienstblatt anschauen. Er ist fast komplett in der Gegenwart geschrieben. 
Gott IST unsere Stärke und Hilfe. 
Wir fürchten uns nicht. 
KOMMT! Und SCHAUT! Die Werke des Herrn. 
Er MACHT den Kriegen ein Ende. 
SEID STILL und ERKENNT!

Das Chaos in der Welt, die Not, der Sturm auf dem Meer ist im Konjunktiv. Ja, es gibt das Leid und die Schrecken. Aber es ist unsere Wahrnehmung, wenn wir es einseitig sehen. Nur das Böse und uns überrollen lassen. Daneben und dazwischen existiert eine Welt der Hoffnung. Nicht nur Gott fern in der Burg, sondern auch mitten unter uns. In Menschen, die mit Liebe leben und ein Gegenprogramm entwerfen. In Menschen, die die Erde Stück für Stück heilen. Jetzt während wir hier sitzen, hält jemand in Erlangen einem Kranken die Hand. Jetzt, während wir hier sitzen, machen Ehrenamtliche in Rettungswagen Dienst und schenken ihre Zeit. Jetzt während wir hier sitzen, werden Schwestern und Brüder auf der Welt getauft und fangen neu an mit Gott, mit der Welt. 
Gott bleibt nicht fern in seiner Burg. Er hat Kolonien. Auf der ganzen Welt. In uns.

Und der Psalm dreht noch etwas um. Eine Wende.
An vielen Stellen in der Bibel, wenn Gott mit einer Botschaft kommt, dann kommt er als Engel. Und der Engel sagt ganz oft zuerst: „Fürchte dich nicht!“ Danach kommt die Botschaft oder der Auftrag.

Hier sagt Gott nicht „Fürchte dich nicht!“
Hier bei diesem Lied und Gebet, das Menschen vor Jahrtausenden schrieben, heißt es „Sei still!“
Und die Menschen erkennen Gott und antworten: „Darum fürchten wir uns nicht!“

Die Menschen, die Gott erkennen, werden selbst zu Engeln und Boten. Dürfen selbst erzählen, dass Gott die Angst nehmen kann. So wie einst Martin Luther, nach seiner Erkenntnis.

Er konnte die Botschaft damals nicht für sich behalten. Er hätte sich ja viel Ärger erspart. 
Nein, er spürte, diese Wahrheit muss gesagt werden, geschrieben, gepredigt, gemalt.

Und wir? Auch wir sind aufgefordert heute die Wahrheit zu bekennen. Nicht stündlich, nicht täglich. Aber es gibt diese Momente, da soll man sich nicht verstecken, sondern mutig sprechen. Ob in einem Konflikt. Ob in der Familie, ob hier in der Gemeinde, ob zu einem Mitmenschen. Öffentlich oder privat.

Schweigen hat seine Zeit, und still werden, Gott spüren. 
Reden und bekennen aber genauso. Ich war zum Beispiel Antonio Guterres von den Vereinten Nationen dankbar, dass er in den letzten Wochen klar die Greueltaten beider Kriegsparteien angeklagt hat und nicht beschönigt.

Gott ist mit uns. Darum fürchten wir uns nicht. 
Eine Erkenntnis, ein Bekenntnis. So wertvoll. 
Das wünsche ich Ihnen immer wieder neu, von Herzen. 
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 

Pfarrerin Ulla Knauer

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