Predigt vom 10. Dezember 2023

Predigttext: Offenbarung 3,7–13

Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, und der zuschließt, und niemand tut auf: 8Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. 9Siehe, ich werde einige schicken aus der Versammlung des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen. Siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. 10Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. 11Ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme! 12Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. 13Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde!

Wenn in dieser Zeit, heute am 2. Advent, so viel von offenen und verschlossenen Türen die Rede ist, kommt man am Adventskalender nicht vorbei. Zehn Türchen dürften jetzt immerhin schon offen sein. Ich hoffe aber, dass heute kein Lebkuchen oder Glühwein abgebildet war. Denn dieser zweite Advent duftet nicht nach Glühwein, schmeckt nicht nach süßem Weihnachtsgebäck. Das passt nicht zu unserem Evangelium, in dem Angst und Erschrecken mit Sehnsucht und Hoffnung gemischt sind. Dieser zweite Adventssonntag weist über den ersten Advent hinaus auf Gottes zweiten Advent, sein Kommen, ohne den Weihnachten ein leeres Versprechen bliebe.

Siehe, ich komme bald, sagt Jesus Christus, der uns versprochen hat, alle Tage bis an der Welt Ende bei uns zu sein.

Nicht nur eine Tür öffnet sich heute. Es ist so, als würden mit dem, was der Seher Johannes sieht, alle zusammen aufspringen. Die Zeit gerät aus dem Gleichmaß. Er nimmt uns mit in eine andere, ferne  Zeit, die aufdeckt, was heute schon gilt!

Wer Ohren hat, der höre und wer Augen hat, der sehe. Und so ist das Wörtchen siehe ein Leitwort unseres Bibelabschnittes. Also, sehen wir genau hin!

Das erste, was wir zu sehen bekommen, ist ein Engel. 

O, wie schön. Gerade jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit. Die ganze Weihnachtsgeschichte ist doch ohne Engel gar nicht denkbar – angefangen beim Engel Gabriel…

Ist die Weihnachtszeit allerdings vorbei, werden meist auch die Engel weggeräumt und wir vergessen sie. Aber sie vergessen uns nicht! Sie sind doch Gottes Boten und haben immer zu tun: Singend und spielend musizieren sie. Sie beschützen und begleiten und überbringen Botschaften. Das ist sogar ihre ureigenste Aufgabe: im Traum, direkt von Angesicht zu Angesicht oder wie hier brieflich. 

Die Gemeinde in Philadelphia hat einen eigenen Engel, der sie repräsentiert, durch den Gott zu ihr redet, der ihr die Tür zum Himmel aufhält.

Muss ich sie beneiden? Ich möchte mich in den Gedanken versenken und an ihm wärmen, ich hätte auch so einen Engel, der mich genau kennt, mich beschützt, mit mir lebt, leidet und sich freut und mich tröstet und den Himmel offen hält. Damit ich mich hier in meinen Sorgen nicht verliere oder gar verloren gehe.

Die Gemeinde in Philadelphia hat einen solchen Engel. Und was er ihr auszurichten hat, bekommt sie sogar schriftlich.

Es gibt so viele Arten von Briefen: Rechnungen, Mahnungen, Spendenaufrufe und vor allem Werbung fluten unsere Briefkästen. Diese Gemeinde bekommt, was sie wirklich braucht: einen Trostbrief. Sie braucht Trost, weil es so viele verschlossene Türen gibt, an denen sie verzagen könnte  und darüber die große offene nicht sieht.

Trost beginnt nicht mit schönen aufmunternden Worten, sondern damit, dass ich gesehen werde; dass jemand erkennt und aushält, wie es um mich steht.

Ich kenne deine Werke. Du hast eine kleine Kraft – schreibt der Engel. Ich kenne deine Mühe, dein Streben, deine Hoffnung. Aber auch dein Scheitern; die vergeblichen Versuche, Türen zu öffnen, die sich nicht öffnen lassen, die Zerbrechlichkeit der Hoffnung auf Gott, die Rückschläge im Bemühen, ganz aus dem Vertrauen auf Gott zu leben.

Trost ist ferner, dass der Engel beauftragt ist, den Blick von den eigenen begrenzten Möglichkeiten weg zu lenken auf Gottes Vermögen. So wird ihm diktiert: Ich habe den Schlüssel Davids. Ich öffne Türen, die niemand mehr zuschließt; und ich schließe Türen, die niemand mehr auftut.

Siehe, schreibt der Engel. Darauf sollst du sehen: auf Gottes unbegrenzte Möglichkeiten. Die Tür, die er dir einmal geöffnet hat, wird nichts und niemand mehr zuschlagen. Bei Gott bist du unverlierbar geborgen.

Du sollst aber auch darauf sehen, was dir mit Gottes Hilfe gelungen ist, wo sich Türen geöffnet haben. Manchmal kann oder will man es gar nicht sehen. Darum ist auch dieses siehe tröstlich. Du hast nur eine kleine Kraft. Und trotzdem hast du an Gott festgehalten und die Geduld bewahrt. Du hast allen Widerständen zum Trotz und gegen die Spötter am Glauben festgehalten. 

Für die Gemeinde in Philadelphia am Ende des ersten Jahrhunderts war das kein leichtes. Der röm. Kaiser Domitian forderte von seinen Untertanen gottgleiche Verehrung. Jüdische und christliche Gemeinden konnten ihm das nicht zugestehen, ohne in fundamentalen Widerspruch zum ersten Gebot zu gelangen: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Dem Anspruch des Kaisers zu widerstehen kostete Mut und brauchte Gottvertrauen. Wie tröstlich, dass es gesehen und anerkannt wird.  Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

Ob unser Engel uns das auch so schreiben würde? Sich zu seinem Namen zu bekennen, das müsste doch heißen, dass wir uns nicht nur auf Weihnachten freuen, sondern mit der Hoffnung leben, dass dieses Kind unser ganzes Leben trägt mit seiner Liebe. Es müsste für uns als Gemeinde und Kirche doch heißen, dass wir uns nicht bestimmen lassen von der Klage: Es wird doch alles immer nur schlimmer und schwerer: weniger Mitglieder, weniger Geld, weniger Mitarbeiter, die Last der vielen Gebäude, sinkendes Ansehen der Kirche durch die Missbrauchsskandale und fragwürdige Privilegien. Die Liste ist unvollständig. Unbedingt drauf muss auch die Frage, die uns umtreibt: Wie können wir heute Gott als Hoffnung der Welt glaubwürdig bezeugen?

Nach Philadelphia hat der Engel geschrieben: Du hast eine kleine Kraft. Vielleicht haben wir viel zu lange gedacht: Wir sind viele; wir sind eine große Kraft; eine Stimme, die man achtet und die überall gehört wird. Und nun, wo es offenbar anders ist, sind wir schnell verzagt.

Ich bin sicher, Gott sieht auch unsere kleine Kraft und unsere Verzagtheit. Möge er doch unserem Engel diktieren, dass das gar nichts macht; dass wir keine Angst vor Veränderungen haben müssen, denn Gott wird seiner Kirche – ja, jedem von uns -  treu sein. Vielleicht stehen wir kraftstrotzend ihm nur im Weg. Durch unsere Schwäche will er stark sein. Wie oft vergessen wir das, denn Stärke und Anerkennung sind zu verführerisch.

Die Gemeinde in Philadelphia wird es hoffentlich beherzigen. Denn in dem schwer zu erschließenden Wort von der Versammlung des Satans ist angemahnt, welch schwere Prüfungen ihr noch bevorstehen.

Unser Leben ist ein Weg des Lernens, das Vertrauen zu Gott einzuüben und zu bewähren. Das kann niemand allein. Ob sie die Engel als Bild für Gottes Begleiten ansehen, oder schon mal einem begegnet sind –, wenn sie jetzt in der Weihnachtszeit einen treffen, fragen sie ihn nach seinem Auftrag und seiner Botschaft für sie. Hat er keine, dann ist er garantiert nicht echt. Denn Gottes Engel haben immer zu tun. Sie müssen uns den Himmel offen halten, den Jesus Christus ein für allemal aufgeschlossen hat. Denn da sind unsere Namen schon ins Buch des Lebens eingetragen. 

Hier sind wir durch die Taufe schon mit dem Namen Gottes verbunden. Er liegt auf uns. Trotzdem ist das oft nicht erkennbar, weil unser Vertrauen, unsere Geduld und unsere Hoffnung zu klein sind. Aber einmal werden wir sein wie Pfeiler im himmlischen Jerusalem. In Gottes neuer Welt werden wir einen Platz haben, den uns niemand wird nehmen können. Und Gottes Namen – das Versprechen seiner Treue – wird auf uns geschrieben sein. Diesen Trost dürfen wir mit der Gemeinde in Philadelphia teilen.

Die Tür ist offen! Christus hat sie uns weit aufgetan. Und nichts und niemand kann sie zuschließen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

 

10.12.2023 Pfarrer Cyriakus Alpermann

 

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