Predigt vom 14. April 2022

Unser Predigttext steht im 1. Korintherbrief, im 10. Kapitel, die Verse 16 +17:

16 Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17 Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

 

In der Stille um den Segen des Wortes beten:

 

Liebe Gemeinde!

I. Vom Apfelkuchen

nächste Woche, wenn ich Glück habe, kriege ich ihn wieder zu essen. Beim Geburtstag von meiner Schwester wird er auf dem Tisch stehen. Und duften. Nach Mürbeteig und Äpfeln. Der gedeckte Apfelkuchen. Der beste Apfelkuchen der Welt. Nur meine Schwester kann ihn backen. Aber vielleicht bin ich da auch voreingenommen: Denn das Rezept für diesen Apfelkuchen kommt von unserer Oma. Ama haben wir die genannt.

Und wenn es den Apfelkuchen gibt, dann ist unsere Ama dabei:

Wie begeistert sie von uns, ihren Enkelkindern war – sie hat uns gerne bei sich gehabt. Bei ihr zählten nicht die Schulnoten, sie wollte einfach wissen, was uns beschäftigt. Sie war stolz auf uns, einfach weil wir ihre Enkel waren, das reichte schon.

Immer wenn es Apfelkuchen gibt, dann ist unsere Ama dabei:

In ihrer Fähigkeit, ihre Enkelkinder zusammen zu halten – sie hat uns liebend gerne gemeinsam eingeladen, damit wir miteinander spielen konnten, miteinander essen. Sie hat für die Kommunikation unter uns gesorgt und uns auch ganz offen von sich erzählt.

Immer, wenn es den gedeckten Apfelkuchen gibt, wird unsere Ama dabei sein:

Die Nickligkeiten, die wir gerade als Geschwister miteinander hatten, verloren bei ihr an Gewicht. Wie genau sie das schaffte, das weiß ich gar nicht mehr, es hatte damit zu tun, dass sie uns alle großartig fand, genauso wie wir waren. Da löste sich so manche Geschwisterrivalität einfach auf.  

Wenn es den Apfelkuchen gibt bei meiner Schwester, dann ist unser Ama dabei, wir werden von ihr erzählen, kürzer oder länger, wir werden mit ihr und miteinander verbunden sein.

II. Essen und Trinken hält nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern auch höchst verschiedene Menschen

So ist das, wenn man gemeinsam isst und dieses Essen eine Geschichte hat. Da entstehen Verbindungen, die sind mächtig und stark. Paulus weiß das. Sein Hinweis auf diese Verbindungen ist ein Argument in einem großen Zusammenhang. Das, was Paulus hier anführt, das ist etwas Klares, eine Selbstverständlichkeit. Der große Zusammenhang war eine Streiterei in Korinth: Ob Christen Fleisch essen dürfen.

Nein, nicht wie Ihr jetzt denkt, es ging damals nicht um die armen Tiere oder um das Klima. Es ging darum, dass fast alles Fleisch auf dem Markt erstmal ein Opfer war für irgendeinen Gott. Und dann wurde es verkauft. Und Paulus weist erstmal darauf hin: Ja, da ist eine Beziehung zu einem Gott entstanden mit diesem Fleisch – und wenn ihr davon esst, dann seid ihr auch in so einer Beziehung drin. Das ist doch bei uns auch so – im Kelch, aus dem wir trinken – da entsteht die Gemeinschaft mit Christus – und im Brot auch. Also, das Fleisch verbindet Euch mit diesen Göttern, denen es geweiht war.

Interessant ist es, dass Paulus völlig unängstlich weiterdenkt: Wir sind durch Christus ja genau frei. Alle diese Götter sind als nichtig entlarvt. Als Götzen, die keine Macht haben über niemand. Und, klar, kann man deshalb auch dieses Fleisch essen. Am besten ist, man fragt nicht nach. Andererseits: Gibt es so viele Menschen, die diese Freiheit nicht haben, die ängstlich und verquer sind. Oder auch: Gastgeber, die die Christen mal genau beobachten, was die nun machen … haha, gehören ja doch noch zu den Göttern… Paulus hält beides fest: Ihr seid frei – und genau deshalb könnt Ihr auch Rücksicht nehmen auf Menschen, die gebunden sind.

Die Diskussion mit dem Götterfleisch ist vorbei. Vieles aus der Argumentation des Paulus ist bis heute hochaktuell – die Idee, manchmal nicht zu genau nachzufragen und

 grad auch sein Hinweis auf gegenseitige Rücksichtnahme. Und eben dieses Argument:

Wenn wir gemeinsam essen und diese Essen eine Geschichte hat, dann sind wir mit dieser Geschichte und untereinander verbunden.

Der Kelch und das Brot – sie nehmen uns mit hinein in Jesu Geschichte. Der gegessen und getrunken mit allen möglichen und unmöglichen Leuten. Der uns toll findet, einfach weil wir da sind. Der sich für uns interessiert. Der Kelch und das Brot – sie nehmen uns mit hinein in Jesu Geschichte, der eine neue Familie geschafften hat aus seinem Freundeskreis. Der Kelch und das Brot – sie nehmen uns mit hinein in Jesu Geschichte – der es geschafft hat – ich weiß nicht genau wie – dass Menschen Versöhnung finden können.

III. Vom Eltersdorfer Kelch und unseren Gläschen

Eine der revolutionären Taten der Reformation war die Einführung des Kelches für alle. Irgendwann hatte es sich eingeschlichen, dass vor lauter Heiligkeit die Gemeinde nicht mehr aus dem Kelch trinken durfte. Da war Luther radikal – also: an die Wurzel gehend -: Klar ist der Kelch für alle!

In Eltersdorf gibt es einen Abendmahlskelch seit 1524, seit dem Jahr als die Reformation dort eingeführt wurde. Wer aus diesem Kelch trank, wusste sich verbunden. Nicht nur mit denen nebenan im Kreis, sondern auch mit denen aus früheren Generationen. Und sogar mit den kommenden. Wie gut dieser Kelch die Gemeinschaft zeigte, die Jesus stiftet! Gemeinschaft über die Zeiten hinweg. Wir erinnern uns beim Abendmahl ja immer auch an die, die uns vorausgegangen sind und schon dort wohnen bei Gott.

Seit 2 Jahren wird der Kelch nicht mehr verwendet, nicht mehr der altehrwürdige in Eltersdorf und nicht mehr unsere etwas jüngeren, gestifteten und geliebten Kelche hier. Der Kelch wird nur noch gezeigt, immerhin.

Die Gemeinschaft aber können wir zum Glück – oder besser: Gott sei Dank – trotzdem erleben: Wen wir nun das Brot und den Wein oder Saft gleichzeitig zu uns nehmen. Das können nun sogar alle hier gemeinsam tun, alle, die hier sind. Und so die Gemeinschaft, die Jesus stiftet erspüren – halt anders.

 

IV. Die Krankenschwester und ihre Frage

„Was ist denn das, das Abendmahl?“ so hat mich in der Klinik eines schönen Tages eine Krankenschwester erwischt. Sie kam aus Thüringen, war aufgewachsen ohne Berührung mit dem christlichen Glauben. Puh, was sollte ich da sagen, auf dem Gang, in wenigen kurzen Sätzen? Ich hab ein bisschen herumgestottert.

Erst auf dem Heimweg ist mir die Geschichte eingefallen mit dem gedeckten Apfelkuchen. Ein Vergleich, der weit trägt, finde ich. Ich bin dieser Krankenschwester deshalb bis heute dankbar für ihre Frage.

Und dem Paulus bin ich dankbar für die Selbstverständlichkeit mit der er darauf hinweist, wie Christus uns in Kelch und Brot verbindet – mit sich – aber eben auch untereinander.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp

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