Predigt vom 24. Dezember 2020 Christmette

Predigt in der Christmette am 24.12.2020 über Mt 1,18-25

Liebe Gemeinde!

Wir haben die vertraute Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium gehört. Ihretwegen kommen wir Weihnachten zusammen. Sie führt uns zu dem, was wir hier vorne sehen können: der Krippe im Stall von Bethlehem. Jetzt in der Nacht verlöscht das große Licht. Es ist wie im Theater, wenn die Bühne plötzlich im Dunkel liegt, und dann ein einziges Licht eine Person in das Licht unserer Aufmerksamkeit stellt. In diesem Gottesdienst der Christnacht fällt es auf Joseph. Aus seiner Sicht hören wir die vertraute Geschichte noch einmal.

18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. 19 Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen. 20 Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. 21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 22 Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. 24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25 Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Ich würde den Joseph gerne fragen: „Warum bist du so krumm? Ist es von der schweren Zimmermannsarbeit? Oder hat dich diese Geschichte doch zu sehr mitgenommen? Oder ist es Vorahnung alles Schweren, was da mit diesem Kind auf dich zukommt?“ Aber der Joseph sagt ja nichts. Kein Sterbenswörtchen in der ganzen Bibel. Und doch ist er mein Held der Weihnachtsgeschichte.

Er hat´s ja nicht einfach gehabt. Wie die jungen Leute so sind; den Kopf voll großer Zukunftspläne. Und er hatte auch allen Grund dazu. Verlobt, so gut wie verheiratet mit einem bildhübschen Mädchen. Einen Beruf, der immer gefragt war, mit dem man auch eine große Familie durchbringen konnte. Vielleicht hätte er einmal sein eigenes Haus gebaut und eine eigene Werkstatt gehabt. Doch dann kam alles anders. Anfangs hatte er nichts gemerkt. Erst als die Leute in seiner Gegenwart die Köpfe zusammensteckten und tuschelten, wusste er, dass mit Maria etwas nicht stimmte. Sie war schwanger, aber nicht von ihm, das war klar. Es war eine Katastrophe. Sein ganzer Lebensplan zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Welche Möglichkeiten hatte er? Es war sein gutes Recht, Maria des Ehebruchs zu bezichtigen, sie öffentlich bloßzustellen. Schimpf und Schande wäre über sie gekommen. Doch das brachte der Joseph nicht fertig. Er liebte sie doch. Dann wollte er lieber die Schuld auf sich nehmen. Sollten doch die Leute denken: „Der Joseph konnte sich nicht beherrschen, und nun macht er sich einfach aus dem Staub. Das arme Mädchen steht nun allein mit dem Balg da.“ Wie man es auch drehte, die Situation war aussichtslos. Sein Leben lag in Scherben. Wenn Weihnachten das Fest der Geburt eines Kindes ist, dann war klar, für ihn gab es in diesem Jahr kein Weihnachten; vielleicht sogar nie mehr.

Das haben sie in den vergangenen Tagen vielleicht auch öfter gehört, dass Menschen sagen: „Für mich ist das dies Jahr kein Weihnachten. Wir dürfen die geliebten Weihnachtslieder nicht in der Kirche singen. Kein Weihnachtsmarkt, keine Geschenke einkaufen und vor allem nicht die Menschen treffen, mit denen wir sonst immer zusammen waren.“ Andere haben wohl noch schwerwiegendere Gründe. Eine Freundin von uns hat plötzlich ihren Mann verloren. Sie sagte: „Für mich gibt es in diesem Jahr kein Weihnachten.“ So war es auch für Joseph. Für ihn war eine Welt zusammengebrochen. Wie sollte es da Weihnachten werden?

Das aber ist der Punkt, liebe Gemeinde, auf den wir achten müssen, wenn wir Weihnachten verstehen wollen. Für Joseph war alles zu Ende. Weihnachten bedeutet aber nicht, dass es dann doch noch irgendwie weitergeht; dass Gott uns über die nächste Hürde hilft, damit eintritt, was wir geplant oder auch befürchtet haben. Weihnachten fängt Gott mit uns neu an! Denn Weihnachten ist nicht unser Planen und Vorbereiten, so sehr wir uns auch ins Zeug legen; es ist Gottes Sache. Das tritt mit der Geschichte des Joseph ans Licht.

So heißt es auch nicht: Joseph träumte von einem Engel. Sondern der Engel erschien ihm im Traum. Durch ihn trat Gott in sein Leben. Das erste, was er sagte, war: Fürchte dich nicht. Das sagen die Engel wohl immer, weil wir erschrecken, wo es für uns nicht mehr weiter geht, und wir in unserer Hoffnungslosigkeit mit Gottes Möglichkeiten konfrontiert werden; wo uns die Augen für Gottes Zukunft aufgehen. Und dann weiter: Das Kind, das sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. So verführerisch es ist, über die wunderbare Herkunft des Kindes zu spekulieren; Matthäus, der uns dies überliefert, lädt uns dazu nicht ein. Er erzählt nicht von einer übersinnlichen Zeugung, sondern vom Empfangen dieses Gottesgeschenks, durch das Gott in unser Leben tritt, um zu heilen, zu retten und zu erlösen. So sagt es der Name, den der Engel genannt hat.

Über die Namen Jesus und Immanuel wäre noch viel zu sagen. Aber in dieser Nacht bleiben wir bei Joseph. Ob er von sich aus den richtigen Namen für das Kind gefunden hätte? Es gibt ja Geschenke, die uns erstmal die Sprache verschlagen. Es gibt Geschenke, da müssen wir zunächst über unseren Schatten springen, um sie überhaupt annehmen zu können. Wie weit Joseph springen musste, wissen wir nicht. Aber er hat dies Geschenk angenommen – den von Gott ermöglichten Neuanfang - und dem Kind den vom Engel genannten Namen gegeben und es so zu seinem Kind gemacht.

Joseph hat ohne viele Worte Gott geglaubt. Er hat als erster an dieses Kind geglaubt, durch das Gott mit uns neu anfängt. So hat er seinen Platz in der schönen Geschichte gefunden, die für ihn schon beendet war, ehe sie recht begonnen hatte. Und so zeigt Joseph auch uns, wo unser Platz ist – nicht nur zu Weihnachten: ganz nahe bei dem Kind.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

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